Zum Glück haben wir die freiwillige Feuerwehr Gross Borstel

Die Einsatzmeldung kam wie viele andere auch. Eine Brandmeldeanlage, im Feuerwehrjargon auch kurz BMA genannt, meldet sich zu nachtschlafender Zeit: Es ist der 14. August um 4.50 Uhr, ein Rauchmelder piept in der Seniorenwohnanlage Haus Rosenstift am Weg beim Jäger. Anrufe gehen unter 112 bei der Einsatzzentrale der Hamburger Feuerwehr ein, und die leitet die Meldung sofort an die örtlichen Feuerwachen weiter.

Die Leute der Freiwilligen Feuerwehr Groß Borstel und auch die der Berufsfeuerwehr in der Alsterkrugchaussee machen sich auf den Weg. Was zunächst wie ein alltäglicher Einsatz aussieht, entpuppt sich schon nach kurzer Zeit als Großeinsatz mit über 50 beteiligten Feuerwehrleuten, bei dem 17 Senioren gerettet werden konnten und bei dem letztlich aufgrund des professionellen Handelns der beteiligten Feuerwehrleute keiner ernsthaft zu Schaden gekommen ist (nur eine Person musste zur Beobachtung ins Krankenhaus) – von materiellen Schäden einmal abgesehen, die ließen sich bei dem Feuer nicht vermeiden.

In dem Einsatzraum der Freiwilligen Feuerwehr Groß Borstel kann man auf zwei großen Bildschirmen mithilfe einer App die Karte Groß Borstels sehen und darauf, wie sich die einzelnen alarmierten Mitglieder – dargestellt als Symbole – auf den Standort Geschwister-Beschütz-Bogen 20 zubewegen.

Die Feuerwehr hat dort zwei große Einsatzfahrzeuge bereitstehen. Max Schneider (24) und Helge Börner (25) nahmen aufgrund ihrer Ausbildung nach dem Eintreffen Platz auf dem ersten Löschfahrzeug, und zwar für den Angriffstruppplatz. Dort erhielten sie vom Gruppenführer die ersten Informationen zur Meldung.

Angriffstrupp, das hört sich militärisch an, ist bei der Feuerwehr jedoch das Gegenteil von tödlich: nämlich lebensrettend. Der Angriffstrupp, das sind die beiden, die in voller Montur und Ausrüstung in den Einsatzort zur Personenrettung oder zur Brandbekämpfung gehen. In diesem Fall sind es Max Schneider und sein Kollege Helge Börner. Beide rüsten sich während der Fahrt zum Einsatzort komplett aus: mit Atemschutzgerät, Fluchthauben für die zu Rettenden, Schlauchpaket – alles zusammen über 20 Kilo schwer.

Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Kurz nach Alarmierung treffen sie ein, nur etwas später als die Kollegen von der Berufsfeuerwehr aus der Alsterkrugchaussee. Die hatten schon mal einen Schlauch vom Fahrzeug bis zum Einsatzort gelegt und legten gerade die Leiter zu den Wohnungen im ersten Stock an. Eine Wohnung brannte, die Flammen schlugen weit sichtbar meterhoch aus dem Fenster. Max und Helge konnten mit der Ausrüstung und ihrem Schlauchpaket hin zum Verteiler, den die Berufsfeuerwehr gelegt hatte. Von dort arbeiteten sie sich im total verrauchten, stockfinsteren Flur unter Nachsichtbedingungen von Tür zu Tür.

Vor jeder Tür das gleiche Prozedere, hundert Mal geübt: Sie klopfen an. Aber egal, ob sich einer meldet oder nicht, die Tür wird aufgemacht. „Leider waren die einige Türen sehr gut gesichert und verriegelt“, berichtet Max Schneider. Sie mussten also mit Axt und einem Halligan-Tool genannten Aufbruchwerkzeug öffnen. Das dauert. Die Zeit läuft. Jede Sekunde ist kostbar.

Für den aus dem Schlaf geweckten Bewohner mag das ein ungewohnter Anblick gewesen sein, fast wie im Film: Zwei Feuerwehrleute kommen zu Besuch, beide rauchumhüllt mit Helm und Atemschutzmasken, wie Darth Vader schnorchelnde Geräusche von sich gebend, Blaulicht flackert im Hintergrund, und leider ist beim Eintreten die Tür kaputtgegangen. Dass die Situation kein Film, sondern durchaus sehr real und gefährlich ist, realisieren die zumeist betagteren Bewohner nicht gleich. „Auch die behutsame Ansprache der Bewohner haben wir deshalb in Ausbildungsdiensten immer wieder eingeübt“, erläutert Max Schneider sein Vorgehen.

Den Bewohnern wird mit ruhiger, aber deutlicher Stimme erklärt, was passiert ist, dass jetzt Hilfe bereitsteht und dass sie schnell gemeinsam rausmüssen. Sehr schnell. Dazu wird den Bewohnern vorsichtig eine lebensrettende Fluchthaube über den Kopf gezogen. Die Fluchthaube wird mit einem Band um den Hals verschlossen, damit kein Rauch eindringen kann. Geatmet wird durch einen Filter.

„Für einige Bewohner war das nicht angenehm, dass die wir ihnen die Hauben aufgesetzt haben. Letztlich aber ist das lebensrettend.“ Viele ältere Bewohner wurden unter Anleitung herausbegleitet. Sie sahen in dem Rauch nichts, auch keine Hindernisse, etwa herunterhängende Elektroleitungen. Die beiden Feuerwehrleute sahen das durch ihre Nachtsichtgeräte mit Wärmebildkamera und konnten so die Bewohner davor bewahren, zu stolpern oder sich sonst wie zu verletzen.

Von den siebzehn geretteten Bewohnern des Seniorenheims befreite der Angriffstrupp Max Schneider und Helge Börner fünf Personen in letzter Sekunde. Ohne den schnellen Einsatz der Feuerwehrleute hätten einige der Bewohner wohl nicht überlebt.

„Während des gesamten Einsatzes hat man kein Zeitgefühl“, schildert Max Schneider den Ablauf. „Es fühlt sich an, als hätte man zehn oder zwanzig Minuten pro Tür gebraucht, tatsächlich dauerte es manchmal nur unter einer Minute.“ Tür auf, Bewohner beruhigen, Haube auf und raus.

Max Schneider wohnte bis zum September in Leipzig. Er hatte dort Wirtschaftsinformatik studiert und mit einem Master abgeschlossen. Und nach dem Studium gleich einen Job in Hamburg bekommen. Er arbeitet bei einem großen Krankenhausbetreiber, bei Asklepios. Die Freiwillige Feuerwehr ist sein Hobby, wie er sagt. Tatsächlich ist seine Arbeit als Feuerwehrmann hochprofessionell. Er war schon vier Jahre in einem Dorf bei Leipzig in der Freiwilligen Feuerwehr und hat dort offenbar viel gelernt. Als er nach dem Studium den Job bei Asklepios bekam, fand er vorübergehend eine Wohnung im Klotzenmoorstieg. Er meldete sich sofort bei der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. Zum Glück.
„Hier in Groß Borstel wird man gleich mit offenen Armen empfangen. Es ist eine tolle Gemeinschaft hier. Man kann sehr viel lernen und es macht extrem viel Spaß.“

Viele von Max Schneiders Kameraden haben besondere Qualifikationen, nicht nur aus den verschiedenen Berufen, aus denen sie kommen, sondern auch durch Lehrgänge bei der Feuerwehr. Es gibt Lehrgänge beispielsweise zum Atemschutz, zur Absturzsicherung, zu dem Einsatz von Funkgeräten. Man kann einen Sanitäterlehrgang belegen oder den LKW-Führerschein machen, Lehrgänge zum Gruppenführer gibt es auch, oder Ausbildungen für spezielle Gefahrenschwerpunkte. Notwendig, etwa wenn Chemikalien brennen.

Die Freiwillige Feuerwehr sucht weiterhin noch Leute, die Mitglied werden wollen. 5- bis 11-Jährige landen bei der Minifeuerwehr. Jeden ersten und dritten Samstag im Monat wird fleißig gelöscht, gerettet, getobt und gespielt. Spaßfaktor: überwältigend.

Die Jugendfeuerwehr Groß Borstel versammelt die 10- bis 16-jährigen Mädchen und Jungen, die auf den professionellen Einsatz vorbereitet werden. Nebenbei gibt es gemeinsame Freizeitausfahrten ins Wochenende oder gemeinsame sportliche Aktivitäten. Dieser Dienst findet jeden Montag von 18-20 Uhr statt.

Die 17- bis 45-Jährigen kommen in die Einsatzabteilung. Für jeden und jede gibt es eine Aufgabe. Alles zusammen wird kameradschaftlich erledigt. Auch privat wird die persönliche Hilfestellung großgeschrieben. Etwa wenn einer eine Umzugshilfe braucht oder etwas repariert werden muss.

„Waren Sie geschockt, als der Einsatz vorbei war?“ frage ich den Feuerwehrmann Schneider. „Das nicht. Also zitternde Hände hatte ich nicht. Aber man ist nach solchen Einsätzen natürlich noch etwas aufgedreht. Wir bleiben in der Gruppe hinterher auch immer noch zusammen, um gemeinsam runterzukommen und um den Einsatz nachzubesprechen.“

Was ich nicht wusste, mir aber hätte denken können: Die gesamte Ausrüstung kommt direkt nach Einsatzende wegen möglicher giftiger Rückstände in die Reinigung: der Feuerwehranzug, die Fluchthauben, Schläuche – alles wird professionell wiederaufbereitet.

Von den Berufskollegen in der Alsterkrug-chaussee bekommen die Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr gleich nach dem Einsatz frische Sachen. Die Einsatzfahrzeuge werden wieder komplettiert und auch die persönlichen Sachen der Einsatzkräfte – es könnte ja gleich wieder zu einem neuen Einsatz gerufen werden.

Zum Glück haben wir Max Schneider und seine Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr in Groß Borstel. Für ihn ist die Freiwillige Feuerwehr in Groß Borstel eine große Bereicherung in seinem Leben. Hier hat er neue Freunde gefunden, durch die er sich auch schnell in Hamburg eingelebt hat. Übrigens, liebe Vermieter: Der freundliche Max Schneider braucht ab Februar eine neue Wohnung. Möglichst in Groß Borstel in der Nähe der Feuerwehr, wo er natürlich gerne wohnen bleiben möchte. Seine Kontaktdaten finden Sie bei den Kleinanzeigen auf Seite 26. Welcher Vermieter hat nicht gerne einen Feuerwehrmann bei sich im Haus wohnen?

Uwe Schröder