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Die Entwicklung Groß Borstels

Wann genau die ersten Ansiedlungen in Borstel entstanden, ist nicht mehr festzustellen. Der erste urkundliche Beleg von Borstel aus dem Jahre 1325 besagt aber, dass die bereits bestehenden Dörfer “Alsterdorf und Borstel mit allen Aeckern, bebaut und unbebaut, Wäldern, … Wiesen, Weiden, dem Moor belegen am Bache Terweke …” von Graf Adolf von Holstein, Stormarn und Schauenburg an den Probst des Klosters Jungfrauental (Herwardeshude) verkauft worden sind. Jahrhunderte lang lebten die Bauern auf ihren Höfen, ohne dass sich viel veränderte.

In der Mitte des 17. Jahrhunderts mischten sich erstmals Städter in die Reihen der bis dahin dörflichen Gemeinschaft. Die Hamburger Bevölkerung war während des und nach dem 30jährigen Krieg rapide angewachsen. Es war eng geworden innerhalb der Wallmauern, deren Tore sich mit Einbruch der Dunkelheit schlossen. Wer es sich leisten konnte,  erwarb vor den Toren der Stadt Grundbesitz und legte einen großen Park an – einen sogenannten “Lustgarten”. Auch in Groß Borstel gab es diese Lustgärten, von denen drei beim näheren Hinschauen noch erkennbar sind, der vierte wurde 1937 zum Industriegebiet. Es ist der Petersenpark (seit ca. 1680), das heutige Strüvergebiet, Niendorfer Weg/Papenreye. Am bekanntesten ist der Frustbergpark (seit ca. 1650) mit dem Stavenhagenhaus. Der alte Baumbestand in der Kita am Brödermannsweg macht es mit nicht allzu großer Fantasie möglich, sich den ehemaligen Brödermanns-
park (seit 1753) vorzustellen.

 

 

Karte v.1791 m. Lustgärten
Die Karte von 1791 zeigt den Anteil der 4 Lustgärten an dem alten Dorf Borstel.

Über “Pehmöllers Garten” (seit 1740), der ebenfalls mit altem Baumbestand und noch einem Teich vorhanden ist, haben Sie immer wieder im “Boten” lesen können. Er ist jetzt im Eigentum der Stadt.  Z. Zt. macht man sich Gedanken um den Erhalt des wertvollen Parks, denn an seinem Rand sollen Häuser für 380 Flüchtlinge gebaut werden.
Wie groß der Anteil dieser Lustgärten am Dorf Borstel war, sehen Sie auf der Karte von 1791. Alle Parks sind aus ehemaligen Hofstellen der Borsteler Bauern hervorgegangen.
Begehrt war Borstel wegen seiner wunderschönen Umgebung mit der Tarpenbek, die noch nicht kanalisiert war, dem Eppendorfer Moor,  dem Borsteler Jäger und der Borsteler Heide (jetzt Flughafen).

Layout 1
Karte von 1864 mit dem eingezeichneten Gewerbegebiet an der Borsteler Chaussee, das 1846 mit dem Bau einer Nickelfabrik begann.
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Auf der Karte von 1895 sieht man noch die Ländereien der Borsteler Bauern. Eingezeichnet ist auch der Borsteler Jäger und daneben die Borsteler Rennbahn.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts kam die nächste große Veränderung mit der Industrialisierung. Sie begann für Borstel bereits im Jahre 1846, als zwei Borsteler Vollhufner innerhalb weniger Jahre das gesamte Gebiet zwischen der Borsteler Chaussee und der Tarpenbek vom Rosenbrook bis hinauf zum Brödermannsweg verkauften.

 

Lederfabrik_Velten_bis_1991
Die Lederfabrik Velten, die bis zum 2. Weltkrieg noch betrieben wurde. 1991 entstand dort der “Alpha Park”.
Flugschau_Luftschiffhalle
Das Foto zeigt eine der beliebten Flugschauen, die ab 1910/11 stattfanden. Dahinter siieht man die Zeppelinhalle.

Es wurde nach und nach zum Gewerbegebiet.
Zuerst siedelte sich eine Nickelfabrik (heute etwa bei REWE) an, die Münzen prägte. Es folgten innerhalb der nächsten drei Jahre eine Kattunfabrik und eine Lederfabrik. Seit 1884 war Heinrich Josef Velten der Besitzer der Lederfabrik, die noch bis zum 2. Weltkrieg betrieben wurde, danach  wurden die Gebäude an Gewerbetreibende und Büros verpachtet, 1996 entstand der Alpha Park.
Das nächste große Gebiet wurde 1873 im Norden Borstels verkauft. Wiederum trennten sich  zwei Vollhufner sowohl von ihren Hofstellen (heute Gewerbegebiet Haldenstieg/In der Masch) als auch von ihren Ländereien, die sich von der Köppenstraße hinauf bis zum Spreenende/Weg beim Jäger zogen.  Dort legten die Konservenfabrikanten Gebr. Koopmann ihre Spargelbeete an.  Aber schon nach 20 Jahren verkauften sie den gesamten Besitz an den Hamburger Staat (ca. 980.000 qm).
Bis zu diesem Zeitpunkt – also um 1900 – hatte die Entwicklung Borstels ähnlich wie  in den Nachbardörfern Eppendorf, Winterhude, Lokstedt, oder Niendorf stattgefunden. Doch während sich die Einwohnerzahlen der Nachbardörfer zwischen 1900  bis zum 2. Weltkrieg vervielfachten und die Wohnbebauung vorangetrieben wurde, wuchs Gr. Borstel nicht wesentlich an. 1894 hatte Gr. Borstel ca. 1.900 Einwohner, Eppendorf ca. 19.000, 1938 war Gr. Borstel auf 4.200 Einwohner angewachsen, Eppendorf auf über  80.000.  Was war also der Grund für diese unterschiedliche Entwicklung?
1909 suchte die Stadt Hamburg nach einem geeigneten Gelände für den Bau einer Luftschiffhalle. Hierum bewarb sich u.a. auch Gr. Borstel. Da die meisten Ländereien der Bauern auf dem Geestrücken im Norden lagen, der für Flugbetrieb besonders geeignet war, entschied man sich für dieses Gelände. Und wiederum gingen große Ländereien an den Hamburger Staat.

silberteich

1891 war bereits die Borsteler Rennbahn angelegt worden, ab 1910/11 fanden dort große Flugschauen statt und 1912 wurde die Zeppelinhalle eingeweiht.
Damit war der Weg für den Aufbau und Ausbau des jetzigen Flughafens und der Lufthansa Technik vorgezeichnet. Auch das Gebiet zwischen Weg beim Jäger und Alsterkrugchaussee ging an den Staat, der es zunächst an Bauern verpachtete, später als Kleingartengebiet auswies und das seit 1991 flughafennahes Gewerbegebiet ist.
Bis zum Beginn des 2. Weltkrieges gehörten mehr als 1/3 der Gemarkung Groß Borstel der Hansestadt Hamburg.
In Gr. Borstel entstanden also – im Gegensatz zu den umliegenden Stadtteilen – auf den ehemaligen Ländereien der Bauern keine Wohnungen, sondern überwiegend Gewerbegebiete. Mit Ausnahme des großen Gebietes zwischen der Köppenstraße und dem Spreenende/Weg beim Jäger, dort wurden Mitte der 1950er Jahre zwei große Siedlungen gebaut:  Die Stutzenkamp-Siedlung, 1952, und die Saga-Siedlung Beerboomstücken (1956/57).
Über die Grenzen hinaus bekannt wurde die Siedlung Beerboomstücken, die der Architekt Werner Kallmorgen  (1912-1979) entworfen hat. Auch wenn wir das heute vielleicht nicht mehr ganz nachvollziehen können,  war seine Planung mit Reihen- und Laubenganghäusern und an beiden Enden – Borsteler Chaussee und Klotzenmoor – 5geschossigen “Punkt-häuser” in den 50er Jahren als sozialer Wohnungsbau mustergültig. Kallmorgen schuf 444 Wohneinheiten, die lebendig gestaltet und mit vielen Grünflächen versehen waren. Als Kallmorgen 1977 den Fritz-Schumacher-Preis erhielt, erwähnten die Juoren ausdrücklich sein Projekt Beerboomstücken.
In den folgenden Jahren entstanden die vielumkämpften drei Hochhäuser an der Borsteler Chaussee und am Klotzenmoor, weitere kleinere Bauprojekte entstanden u.a. am Brödermannsweg/Geesmoor, Moorweg, an der Koldeweystraße, dem Georgiweg und der Lehrersiedlung am Ortleppweg. Wenn Sie sich aber noch einmal vergegenwärtigen, welche Gebiete mit Wohnungen bebaut und welche Flächen zu Gewerbegebieten wurden, verstehen Sie, was Groß Borstel von den umliegenden Stadtteilen unterscheidet.
In den kommenden Jahren (ab 2016) wird ein umfangreiches Wohnprojekt – das “Tarpenbeker Ufer” – von 750 Wohneinheiten, d.h., mit ca. 2.000 Einwohnern, auf dem ehemaligen Güterbahngelände am Kellerbleek entstehen.
Auf den kleinen Stadtteil Groß Borstel werden also  mit  dem Zuwachs von ca. 2.000 Einwohnern am “Tarpenbeker Ufer” und den ca. 380 Nähe “Pehmöllers Garten” erhebliche Integrationsaufgaben zukommen und hoffentlich auch bewältigt.        Traute Matthes-Walk