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Alte Bäckereien in Groß Borstel

Alte Bäckereien in Groß Borstel

Erinnern Sie sich noch an die Bäckerei und Konditorei Görsch an der Borsteler Chaussee 178/Ecke Moorweg? Noch bis zum Jahr 2006 entstanden dort in dem großen alten Backhaus hinter dem Haus mit dem Ladengeschäft u.a. wunderbare Torten, Kuchen, Kekse und natürlich auch frisch gebackene Brote und Brötchen. Es war die älteste Borsteler Bäckerei, gegründet im Jahr 1847.
Ein paar hundert Meter weiter lag die um 1900 entstandene Bäckerei an der Borsteler Chaussee 154 (heute Hauskrankenpflege). Das kleine Café neben dem Ladengeschäft war bis 1993 beliebter Treffpunkt vieler Groß Borsteler.

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Dieses Foto zeigt die Bäckerei
und Konditorei zur Zeit der
Familie Sievers, die sie seit 1920
besaß. Margaretha Sievers
heiratete 1953 den Konditor-
meister Curt Stemmler. Das
Ehepaar führte die Bäckerei
noch bis 1980 weiter und übergab
sie – nach insgesamt 60 Jahren –
an Edgar Friedrich.

Über diese beiden Bäckereien ist im “Groß Borsteler Boten” häufig berichtet worden. Im Gegensatz zu einer dritten Bäckerei, die am Spreenende 24 lag. Diese Bäckerei gründete im Jahr 1885 Gustav Adolph Dietz. Eine Nachkommin dieser Familie, Elli Nau aus Kressbronn, veranlasste mich, im Archiv des Kommunal-Vereins nach Fotos bzw. Berichten zu forschen. Frau Nau half mir ihrerseits mit Fotos und Informationen zu ihrer Familie aus. So entstand eine sehr lebendige Geschichte über diese Bäckerei.
“Am 1. August 1885 ist der Bäckermeister Gustav-Adolph Dietz mit seinem Torf-Backofen am damaligen Weg beim Jäger – jetzt Spreenende – angefangen”, heißt es in einem Artikel im “Groß Borsteler Boten”, Jahrgang 1955.

 Gustav Adolph Dietz kam aus einer Bergmannsfamilie aus dem heutigen Sachsen-Anhalt. Seine Eltern, Carl Friedrich und Johanne Sophie Dietz, hatten 1853 in Runthal/Teuchern geheiratet. Leider starb seine MutterJohanne schon 1867 im Alter von 42 Jahren, zwei Jahre nach der Geburt ihres sechsten Kindes. Was ihre beiden Söhne, Gustav Adolph (geb. 1858) und Karl Friedrich (geb. 1865), veranlasst haben könnte fortzuziehen, bleibt im Unklaren. “Ihre Spuren führen nach Hamburg. Gustav Adolph ging nach Borstel, wo er eine Bäckerei eröffnete, Karl Friedrich nach Eppendorf, wo dieser eine Schuhmacherei gründete”, schreibt Elli Nau.Gustav Adolph wird wohl eine solide Ausbildung zum Bäcker gemacht haben, jedenfalls war er 1885 – mit 27 Jahren – bereits Bäckermeister und auch schon verheiratet mit Sophie, geb. Berke, aus Hüttenrode/Harz. Im gleichen Jahr, am 17. September, wurde ihr Sohn Adolph geboren.

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Die Bäckerei
und Konditorei
Adolph Dietz,
Spreenende 24

Die Großstadt muss eine starke Anziehungskraft auf die erweiterte Familie seiner Frau ausgeübt haben. Nachdem Sophie innerhalb weniger Jahre bereits zwei ihrer Nichten nach Hamburg geholt hatte, heiratete der inzwischen 25 Jahre alt gewordene Sohn Adolph im Jahr 1910 seine Kusine Emma Berke, eine weitere Nichte seiner Mutter. Ein Jahr später
übernahm Adolph, der ebenfalls das Bäckerhandwerk erlernt hatte, in zweiter Generation sowohl die Backstube als auch das Ladengeschäft.

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Die Backstube mit dem modernen Dampfbackofen.
Vorne links im Bild steht Adolph Dietz.
Foto: Elli Nau

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Als der Sohn Adolph Dietz 1911 in zweiter Generation sowohl die Backstube als auch das Ladengeschäft übernahm, zog sein Vater Gustav Adolph in seine neu erbaute Villa am Licentiatenweg 11, doch blieb er weiter für die Bäckerei tätig.              Foto: Elli Nau

Sein Vater zog in seine neu erbaute Villa am Licentiatenweg 11, doch blieb er weiter für die Bäckerei tätig. Er bildete z.B. den jüngeren Bruder seiner Schwiegertochter Emma, Karl Berke, zum Bäcker und Konditor aus. Auch Karl legte die Meisterprüfung ab und blieb sein ganzes Arbeitsleben in der Bäckerei Dietz tätig – er war die Seele der Bäckerei!
Nach dem Tod von Gustav Adolph im Jahr 1927 vergrößerte sein Sohn Adolph den Betrieb und schaffte einen modernen Dampf-Backofen an. Sein 70. Geburtstag am 17.9. 1955 fiel fast auf den Monat genau mit dem 70jährigen Bestehen der Bäckerei und Konditorei zusammen. Der “Groß Borsteler Bote” berichtete: “Heute ist von dem bekannten Dietz `schen Schwarzbrot bis zu den feinsten Konditoreiwaren in dem sauberen, freundlichen Laden alles zu haben … Trotz moderner Einrichtung des Betriebes und eines Geschäftsautos lässt der alte Herr es sich nicht nehmen, nach alter Tradition mit seinem Pferdegespann die Kundschaft zu beliefern, denn seine besondere Liebe gilt immer noch den stets blank gestriegelten Pferden.” Sie zogen in der Woche den Brotwagen und am Sonntag die Kutsche.

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Alfred Dietz auf seinem Brotwagen.“Der Brotwagen von Bäcker Dietz war für uns als Kinder, die wir an der Alsterkrugchaussee 234 wohnten, eine schöne, aber natürlich nicht erlaubte Mitfahrgelegenheit”, erinnert sich
Horst Scherf.                     Foto: Elli Nau

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Die sonntägliche Kutschfahrt mit der Familie und mit Freunden.
Foto: Elli Nau

Im Januar 1957 starb Adolph Dietz. Eine seiner drei Töchter, Irmgard, verheiratete Jahrmärker, übernahm die Bäckerei und Konditorei und führte sie noch bis 1975 in der dritten Generation fort. Damit endete nach 90 Jahren  die Geschichte der Bäckerei Dietz. Für wenige Jahre führte noch der Bäcker Erwin Heckscher das Geschäft als Filiale weiter. Spätestens 1980 gab es am Spreenende keine Bäckerei mehr.
Mit einer kleinen Anekdote von Horst Scherf soll die Geschichte der Bäckerei Dietz ausklingen:
“Der Brotwagen von Bäcker Dietz war für uns als Kinder, die wir an der Alsterkrugchaussee 234 wohnten, eine schöne, aber natürlich nicht erlaubte Mitfahrgelegenheit. Unser Schulweg war für 6-7Jährige ganz schön lang: von der Schule Marienruh am Lokstedter Damm über die Borsteler Chaussee bis zum Rosenbrook und weiter die Alsterkrugchaussee hinauf. Die Abkürzung durchs Eppendorfer Moor durften wir wegen der ´Mitschnacker `nicht nehmen. So kam uns der 1-PS-Bäckerwagen ideal vor. Wir schlichen uns von hinten an und setzten uns auf  die hintere Einstiegsstufe, ca. 15×15 cm, zu zweit, das war nicht gerade Luxusklasse, aber immerhin mussten wir nicht laufen.
Wenn aber der alte Dietz uns ´Schwarzfahrer ` bemerkte, schlug er mit seiner langen Peitsche nach hinten. Gottlob waren die Riemen nicht lang genug, um uns zu treffen, aber durch das Peitschenknallen waren wir gewarnt und konnten uns verkrümeln.”                                                                                                               Traute Matthes-Walk