Vögel in Gross Borstel

Der Buntspecht

Sein „Trommeln“ hört man oft. Kein Wunder, denn mit über 3000 Brutpaaren ist der Buntspecht die mit Abstand häufigste Spechtart in Hamburg. Er kommt über das ganze Stadtgebiet verbreitet vor, wobei sein Bestand die größte Dichte in Laub- und Mischwäldern erreicht. Aber auch Nadelwälder, waldartige Grünanlagen und große Gärten mit zumindest einigen älteren Bäumen besetzt er regelmäßig. Der Vogel ist in Hamburg nicht gefährdet. Ganz im Gegenteil: Die Population hat in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen.

Der Buntspecht (Dendrocopos major) gehört in der Familie der „Spechte“ (Picidae) und der Unterfamilie „Echte Spechte“ (Picinae) zur Gattung der „Buntspechte“ (Dendrocopos). Zu dieser zählen auch die in Hamburg wesentlich selteneren Mittelspechte (Drendocopos medius) und Kleinspechte (Drendocopos minor) sowie die in Nordeuropa, Südeuropa und Asien beheimateten Weißrückenspechte (Drendocopos leucotos) und die in Südosteuropa und Vorderasien beheimateten Blutspechte (Drendocopos syriacus). 

Der Buntspecht ist etwa 23 cm lang und zwischen 60 und 90 Gramm schwer. Seine Flügelspannweite beträgt um 39 cm. Am ehesten lässt er sich von anderen Spechtarten durch seine ungezeichneten Flanken und die kräftig roten Unterschwanzdecken und Steißunterseiten, die scharf vom weißen Bauch abgegrenzt sind, unterscheiden. Das Gefieder ist an der Oberseite schwarz gefärbt mit zwei großen weißen Flügelflecken. Die Wangen sind weiß und an den Halsseiten befinden sich schwarze Bartstreifen. Nur Männchen weisen einen roten Nackenfleck auf. Jungvögel haben einen roten Scheitel. Buntspechte verfügen an ihren Füßen über vier spitze, gebogene Krallen, von denen zwei nach vorne und zwei nach hinten zeigen. Mit diesen Kletterkrallen können sie sich gut in aufrechter Haltung an der Baumborke festhalten. Dabei ermöglichen kräftige Muskeln ein zusätzliches Abstützen mit den Schwanzfedern. Eine federnde, gelenkartige Verbindung zwischen der breiten Schnabelbasis und dem Schädel dämpft die Erschütterungen, die beim Zimmern der Spechthöhle und beim Abhacken der Borke für die Suche nach Insektennahrung entstehen. Um das Einatmen des dabei entstehenden Holzmehls zu verhindern, sind die Nasenlöcher des Buntspechts mit feinen Federn überdeckt. Da Buntspechte zu den Standvögeln gehören, sieht man sie das ganze Jahr. Nur in Nord- und Nordosteuropa sind sie Kurzstreckenzieher.

Im Winter kann man Buntspechte auch an Futterstellen beobachten, insbesondere wenn dort mit Insekten angereicherte Fettblöcke hängen.

Der Buntspecht ernährt sich die meiste Zeit des Jahres überwiegend von Insekten und Larven, die er mit kräftigen Schnabelhieben und seiner langen, dünnen Zunge unter der Baumborke hervorholt. Darüber hinaus ist er in der Lage, sich während des Winters – wenn Insekten rar sind – auf Nüsse, Beeren und Samen umzustellen. Allerdings müssen Nüsse erst geknackt werden, bevor der Vogel an die fettreiche Frucht herankommt. Während zum Beispiel der Eichelhäher dabei die Nuss mit den Füßen festhält, wendet der Buntspecht eine andere Technik an: Er klemmt die begehrte Speise in eine als „Amboss“ dienende Baumspalte oder ein extra für diesen Zweck in einen Ast gehacktes Loch und öffnet die Schale durch kräftige Schnabelhiebe. Diese „Werkstätten“ des Vogels werden „Spechtschmieden“ genannt.

Im Winter kann man Buntspechte auch an Futterstellen beobachten, insbesondere wenn dort mit Insekten angereicherte Fettblöcke hängen. Im Frühjahr, wenn der Saftfluss der Bäume am größten ist, hacken Buntspechte gerne lange spiralförmig angelegte Spalten in die Rinde und nehmen den austretenden Saft auf, in dem dann oft auch Insekten kleben. Man spricht in diesem Zusammenhang von dem Phänomen der „Ringelbäume“.

Allerdings treten Buntspechte auch als Nesträuber auf, indem sie sich junge Meisen aus deren Bruthöhlen holen. Dabei gehen sie mit großer Raffinesse vor: Sie halten einen Wurm in das Einflugloch der Meisen-Nisthöhle, um ein Junges anzulocken. Streckt sich der Nestling der vermeintlichen Nahrung entgegen, ist es um den jungen Vogel geschehen.

Buntspechte sind wie alle Spechte Höhlenbrüter. Die Bruthöhlen zimmern sie mit ihren kräftigen Schnäbeln vorzugsweise in weiche Holzarten oder morsche alte Bäume. Die Männchen beginnen schon vor der Brutzeit den Bau vieler Höhlen, vollenden dann aber nur eine. Diese schützende Höhle nutzen die Spechte auch außerhalb der Brutzeit als Ruheplatz und müssen so nicht wie andere Vögel, Wind und Wetter ausgesetzt, auf einem Ast schlafen.

Dem Anlocken der Weibchen in der Balzzeit und der Revierabgrenzung dient das „Trommeln“, bestehend aus etwa zwei Sekunden dauernden schnellen Schnabelschlägen auf gute Resonanzkörper wie hohle Baumstämme, tote Äste oder auch das Blech von Regenrinnen und Straßenlaternen. Die Männchen beginnen mit dem Trommeln, sobald eine frisch gezimmerte Bruthöhle bezugsfertig ist. Während das Klopfen, das das ganze Jahr zu hören ist, aus 10 bis 20 Schlägen besteht, sind die Trommelwirbel des Männchens während der Balzzeit ab Dezember länger und erklingen häufiger. Aber auch Weibchen erzeugen Trommelwirbel, um im Revier eines Männchens auf sich aufmerksam zu machen.

Buntspecht-Weibchen legen vier bis sieben weiße Eier. Beim 11 bis 13 Tage dauernden Brüten wechseln sich beide Partner ab. Die Jungvögel werden drei bis vier Wochen lang gefüttert, bis sie ausfliegen. Die ersten Tage nach dem Schlüpfen hudern und füttern noch beide Elternteile die Jungen. Durch die lauten Bettelrufe der Jungspechte in der zweiten Hälfte der Fütterungsphase sind die Bruthöhlen leicht zu entdecken.

Etwa ein Fünftel der Weibchen lebt in Polyandrie (Vielmännerei). So beginnen erfahrene ältere Weibchen mit einem erfahrenen älteren Männchen die Erstbrut. Mit einem meist jüngeren „Herren“ folgt dann eine Zweitbrut, wobei sich das Weibchen zunächst an der Brut-, Schlupf- und Huderphase beider Bruten beteiligt. Später überlässt sie die Aufzucht der Zweitbrut dem dazugehörigen Männchen.

Ringfunde belegen, dass rund die Hälfte der jungen Buntspechte das erste Lebensjahr nicht überstehen. Ihre Feinde sind vor allem Parasiten, Sperber, Habicht, Uhu, Mensch und Klimawandel. Die durchschnittliche Lebensdauer des Vogels beträgt sechs bis acht Jahre.

Das Wort Specht hat seinen Ursprung im mittelhochdeutschen „speht“ und „spech“ sowie im althochdeutschen „speh(t)“. Es gibt heute einige Komposita (Wortkombinationen), in denen das Wort „Specht“ enthalten ist. So ist zum Beispiel der „Genussspecht“ ein bayrisch-österreichischer Ausdruck für einen Genießer, also einen Menschen, der gerne und bewusst gut isst.

Männlicher Buntspecht füttert Jungspecht.

Gut in Erinnerung sind auch die „Mauerspechte“, die 1989 die Berliner Mauer nach ihrem Fall bearbeiteten, indem sie Stücke herausbrachen und als Souvenir behielten oder verkauften. Mauerspecht ist außerdem ein alter Name für einen Vogel, der in nahezu allen europäischen und asiatischen Gebirgen lebt und „Mauerläufer“ heißt. Auch der Buntspecht wird gelegentlich als „Mauerspecht“ bezeichnet, weil er immer wieder in wärmedämmende Verkleidungen von Gebäuden Höhlen hämmert, die er jedoch nicht als Bruthöhlen nutzt.

Das Kompositum „Schluckspecht“ hat seinen Ursprung im bereits erwähnten Verhalten vieler Spechte, Baumrinden anzupicken und den austretenden Saft zu schlucken. Sie sind dann also richtige „Schluckspechte“, so wie die Personen, die viel Alkohol trinken.

Und schließlich ist „Schluckspecht“ ein anderer Name für den Trinkvogel, Wippvogel oder Pickvogel, ein mit Methanol gefüllter vogelförmiger Hohlkörper aus Glas, der ständig wiederholende nickende Bewegungen macht, ausgelöst durch physikalische Veränderungen des Methanols im Hohlkörper.

Angesichts so vielfältiger Verbindungen des Wortes „Specht“, sprechen wir diesem auffällig schönen Vogel schlussendlich folgende zwar scherzhafte, aber nicht minder verdiente Anerkennung aus:

„Nicht schlecht, Herr Specht!“

Gut zu wissen

„Hudern“

Das Hudern ist ein vogelkundlicher Fachbegriff. Als Hudern bezeichnet man das Schützen von Nestlingen vor Witterungseinflüssen (Kälte, Regen, zu große Hitze) durch die Brutvögel, indem sie ihren Nachwuchs unter den Flügeln bergend aufnehmen oder ihn im Bauchgefieder wärmen und beschützen.

Eine weitere Bedeutung ist die Gewohnheit von Hühnern, sich im Sand und Staub zu baden. (Quelle: Wikipedia)