Rennsport in Groß Borstel (II)

Fortsetzung aus dem März-Boten

Der erste Renntag auf der neuen Groß Borsteler Rennbahn am 18. Juli 1891 war Teil eines fünftägigen Eröffnungs-Meetings. Bei prächtigem Sommerwetter gewann Heinrich Amsinck jun. auf den dreijährigen Hengst „Avignon“ das Eröffnungsrennen gegen ein internationales Feld. „Avignon“ gehörte zum Groß Borsteler Rennstall von Gustav Beit, der mit Pferden der Importeure Lau und Oppenheimer aufgebaut worden war. Schon im Frühjahr 1881 hatte Beit mit J. Lawrence aus Epsom einen englischen Erfolgstrainer für das Training der seiner Pferde engagiert.

Am Eröffnungstag wurden noch fünf weitere Rennen gelaufen. Nach Abschluss des Renntages sollte es am Sonntag weitergehen, doch wegen Starkregens musste die Fortsetzung des Meetings auf Donnerstag verschoben werden. Die Rennen beim Eröffnungs-Meeting hatten so klangvolle Namen wie „Alster-Preis“ (4000 Mark Preisgeld), „Preis vom Jäger“ (6000 Mark) oder „Großes Borsteler Jagdrennen“ (7000 Mark). Der Groß Borsteler Rennstall konnte beim Eröffnungs-Meeting noch zwei weitere Rennen gewinnen. Neben internationalen Siegern aus Italien, England und Dänemark trugen sich aber auch Pferde aus anderen Hamburger Rennställen in die Siegerlisten ein. Das längste Rennen des Tages war das „Langenhorner Steeple Chase“ mit einer Distanz von 5000 Metern. Leutnant von Kummer siegte vor Leutnant Clemens Freiherr von Reitzenstein (1857-1932).

Alle Pferderennen in Deutschland wurden schon damals in den Ausgaben des Wochen- und Jahres-Rennkalenders lückenlos festgehalten und können dort noch nachgelesen werden. In der Bibliothek des Horner Renn-Clubs können die Ergebnisse auch heute noch eingesehen werden. (Bild).

In den folgenden Jahren gelang es dem Sport-Club, die Preisgelder sukzessive deutlich zu erhöhen. 1892 gab es im „Groß-Borsteler Steeple-Chase“ schon 20.000 Mark zu gewinnen. Neben einheimischen „Herrenreitern“, oft Offiziere aus dem Adel, saßen besonders in den 1890er Jahren viele englische Jockeys im Sattel. Einer der erfolgreichsten war Robert Utting, der 1895 an den Groß Borsteler Rennstall kam. Utting blieb 30 Jahre lang in Groß Borstel wurde für Utting zu einer zweiten Heimat. Er blieb 30 Jahre hier, bevor er zurück nach England ging.

Der Groß Borsteler Sport-Club sah sich durchaus in Konkurrenz zum Horner Renn-Club und rief als Pendant zum „Derby“ in Horn 1896 den „Großen Preis von Hamburg“ ins Leben. Es war das erste Rennen in Deutschland mit einem für damalige Verhältnisse sensationellen Preisgeld von 100.000 Mark. Andere Rennbahnen zogen mit ihren „Großen Preisen“ bald nach. Die Kosten für den Betrieb ihrer Bahnen und die Preisgelder bestritten die Rennclubs aus den Eintrittsgeldern und den Erlösen am Totalisator (Wettgeschäfte). Die nun höheren Preisgelder wurden dadurch finanziert, indem die Rennbahnen höhere Wetteinsätze erlaubten und davon größere Anteile einbehielten. 1901 wurden jedoch die staatlichen Steuern auf die Totalisatorumsätze auf 20% erhöht, wodurch die Wettumsätze, die Einnahmen und auch die die Preisgelder zurückgingen. Der Große Preis von Hamburg wurde aber in Groß Borstel weiterhin alljährlich durchgeführt. 1910 konnte man aber doch zum zweiten Mal ein Preisgeld von 100.000 Mark für den „Hammonia-Preis“ aufbringen.

1911 war ein ganz großes Jahr für die Groß Borsteler Rennbahn, die ihr 20-jähriges Jubiläum feierte. Das traditionelle jährliche Militärmanöver „Kaiser-Manöver“ wurde in jenem Jahr bei Altona abgehalten und Kaiser Wilhelm II. nutze seine Anwesenheit in der Nähe von Hamburg zu einem Abstecher auf die Groß Borsteler Rennbahn. Am 27. August weilte der Kaiser mit vielen fürstlichen Begleitern am Borsteler Jäger und sah sich die Rennen an. Für das mit 20.000 Mark dotierte „Kaiser-Parade-Jagdrennen“ stiftete der Kaiser den Ehrenpreis. Lt. Gr. Holck gewann auf Lord Folfar. Den Großen Preis von Hamburg gewann Kassandra unter W. Shaw.

In den Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges wurden in Groß Borstel weiter Rennen gelaufen, wenn auch weniger als in den Vorkriegsjahren. 1915 gab es nur einen Renntag mit dem Großen Preis von Hamburg als Höhepunkt, der zum 20sten Mal gelaufen wurde.

Nach Kriegsende gab es in Deutschland trotz des wirtschaftlichen Niedergangs und der beginnenden Inflation wieder mehr Rennen. Zwischen 1919 und 1923 wurden in Groß Borstel sogar jährlich acht Renntage durchgeführt, mehr als vor dem Krieg, wo es höchstens sechs waren. Auf dem Höhepunkt der Inflation musste aber auch der Rennsport zeitweise seine Aktivitäten reduzieren. Nach der Einführung der Rentenmark erholte sich 1924 die Wirtschaft und mit ihr auch der Rennsport. 1929 konnte der Große Preis von Hamburg immerhin schon wieder mit einem Preis von 50.000 Mark gelaufen werden.

Im Jahr 1927 beehrte Reichspräsident Paul von Hindenburg die Groß Borsteler Rennbahn mit seinem Besuch. In diesem Jahr starb jedoch auch mit Gustav Beit der unermüdliche Motor des Sport-Clubs. Sein Freund Siegmund del Banco übernahm nun die wichtigsten Geschäfte. Dr. Axel de Chapeaurouge (1861-1941) unterstützte ihn als Vorsitzender des Vereins. Dr. de Chapeaurouge war Arzt an den Krankenhäusern in Eppendorf und St. Georg und hatte sich darüber hinaus in Fragen der der Züchtung von Nutztieren, besonders Rinder und Pferden, auch international als Wissenschaftler einen Namen gemacht.

Nach dem Tod von Gustav Beit wurde der Groß Borsteler Rennstall weitgehend aufgelöst. Aber auch in Horn war der früher erfolgreiche Rennstall inzwischen verwaist. Zu Beginn der 1930er Jahre schlug der Renn-Club dem Sport-Club vor, die Groß Borsteler Rennbahn aufzugeben und die beiden Rennclubs zusammenzulegen. Der Vorschlag wurde von den Rennsportfreunden kritisch gesehen, da der Sport-Club Eigentümer seiner Bahn in Groß Borstel war, während der Renn-Club seine Bahn in Horn von der Stadt nur gepachtet hatte, also von der Stadt Hamburg abhängig war. 1933 wurde die Zusammenlegung dennoch vollzogen. Das letzte Pferderennen in Groß Borstel wurde am 30. Juli 1933 gelaufen.

Im Zuge des Ausbaus des Flughafens wurde die einst „schönste Rennbahn Deutschlands“, die Groß Borsteler Rennbahn, schließlich weggeräumt. Nur der Name der „Sportallee“ erinnert noch an die großen Tage des Pferderennsports in Groß Borstel.

Ich danke Kai Deecke (Hamburg) und Harald Siemen (Timmendorfer Strand) für Hinweise, Fotos und Quellenmaterial zum Sport-Club und der Groß Borsteler Rennbahn.

André Schulz