Klimawandel – nur ein Märchen?

Auf den Spuren von Dr. Johannes Georgi in Grönland

Mitten in Groß Borstel liegt der Georgiweg, benannt nach unserem berühmten Groß Borsteler Polar- und Klimaforscher Dr. Johannes Georgi. Ende der 1960er Jahre machte mich mein Vater mit ihm bekannt. Ich war beeindruckt. Ob ich jemals auf seinen Spuren wandern konnte?

Vor fast 34 Jahren dann stand ich mit meinem Kumpel Dieter endlich in Grönland. Zu Fuß und mit dem Faltkanu ging es durch Gebirge und über Fjorde zum Jakobshavn Isfjord. Den hatte Dr. Georgi 1929 zusammen mit Dr. Alfred Wegener, Dr. Fritz Loewee und Dr. Ernst Sorge vermessen und erforscht. Ein beeindruckendes Schauspiel bot sich dort: Eisberg an Eisberg – manche mehr als 200 Meter hoch über der Wasseroberfläche (und mit rund einem Kilometer Tiefgang). Mit Quietschen, Tuten und Krachen schoben sie sich im Gezeitenstrom langsam aber sicher zum offenen Meer. Geräusche, die an den Hamburger Hafen der 60er Jahre erinnerten. Wo kamen sie her?

Vom Jakobshavn Isbrae – eigentlich Sermeq Kujalleq – dem Gletscher mit der größten Abbruchkante des grönländischen Inlandeises. Da mussten wir hin. Der Weg war anstrengend, aber es lohnte sich. Wir standen genau an der Stelle, an der zu Dr. Georgis Zeiten der Eisabbruch war. Schließlich schafften wir es, aus 1 km Entfernung auf die Abbruchkante zu blicken. Fünf Kilometer spannte sie sich über den Fjord. Gut 200 Meter ragte sie über das Wasser auf. Alle paar Minuten bröckelten kleinere Eisberge ab – so in der Größe der Elbphilharmonie. Und hin und wieder einer der großen, gegen den die Harburger Berge Maulwurfshügel sind.

Neulich sah ich mir per Google die Gegend wieder an. Da, wo damals der Abbruch war, liegt heute offener Fjord mit Eisbergen. Die Abbruchkante ist in 34 Jahren um 14 Kilometer zurück ins Landesinnere gewandert. 14 Kilometer – das ist die Strecke von der Hamburger Landesgrenze am Ochsenzoll bis zum Rathaus in der Innenstadt. 14 Kilometer Luftlinie – das ist in Grönland ein ganzer Tagesmarsch (wenn man jung und fit ist). 14 Kilometer Eisrückgang, das sind rund 70 Quadratkilometer weniger Gletschereis. Eine Fläche, erheblich größer als der ganze Bezirk Hamburg-Nord vom Ochsenzoll über den Flughafen bis zur Alsterschwimmhalle. Die Gletschereismenge von rund 70 Kubikkilometern könnte ganz Hamburg mit einer hundert Meter hohen Eisschicht bedecken.

So langsam wird der Klimawandel erkennbar. Zwar hat es in der Erdgeschichte immer Klimawandel gegeben, aber nie so rasant wie der von uns heute verursachte. Gletscher reagieren eher sehr langsam auf Erwärmung. Und so entspricht selbst der heftige Rückgang in Grönland in seinem Ausmaß heute bei weitem noch nicht den bereits angerichteten Klimaveränderungen.

Wie rasant der Klimawandel ist, macht der Vergleich von Dr. Georgis Expedition 1929 über meine Reise 1984 bis heute deutlich. In den 45 Jahren zwischen Dr. Georgi und meiner Tour ging der Gletscher um 1 km zurück, also rund 20 Meter pro Jahr. In den 34 Jahren seitdem betrug der Rückgang 14 km, also rund 400 m pro Jahr oder das Zwanzigfache.

Dieses Jahr 2017 ist ein neuer Rekordwert für CO2 zu vermelden. 412 ppm – und damit 8 ppm höher als 2015. Ist das viel oder wenig? Dazu muss man wissen, dass zwischen den Eiszeiten und der Zeit Napoleons nur 80 ppm lagen – und 20.000 Jahre. 8 ppm sind immerhin 10% des Unterschiedes zwischen Eiszeit und Warmzeit. Und selbst die letzte, kleinere Eiszeit bedeutete immerhin, dass Lübeck unter einer mehrere hundert Meter dicken Eisschicht lag.

Wenn wir so weitermachen, schaffen wir die Grundlagen für einen weiteren Klimawandel dieses Ausmaßes in nur 20 Jahren.

Gerne würde ich wieder selber nach Grönland reisen. Aber leider spuckt mir Google nur Flüge aus. Klimabelastung kurz gerechnet: 1 Flugstunde gleich 1 Jahr Autofahren. Hamburg-Grönland und zurück (heute viel billiger als früher) wären dann 6 Jahre völliger Autoverzicht. Mit Rückflug 12 Jahre. Und da ich Hybrid statt Diesel fahre, sogar über 20 Jahre. Dieser Klimaschaden wäre mir zu viel – da warte ich lieber, bis die heutigen Kerosinverheizer durch moderne Elektroflugzeuge oder E-Zeppeline ersetzt sind. Geliebtes Grönland, da musst du wohl erstmal auf mich warten. Schmilz bloß nicht noch schneller….

Gebhard Kraft

Über den Autor:

Gebhard Kraft, geboren 1955, ist Sohn des langjährigen Groß Borsteler Schulleiters Dr. Gebhard Kraft. Der Biologe und Chemiker forschte u.a. für das Umweltbundesamt und ist Groß Borstel auch durch seine langjährige Abgeordnetentätigkeit in der Bezirksversammlung und im Orts-/Regionalausschuss verbunden. Er ist Mitglied der Fluglärmschutzkommission, der Allianz für Fluglärmschutz sowie Vorsitzender der Notgemeinschaft der Flughafenanlieger und stellv. Vorsitzender der BIG Fluglärm.