HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

Das Israelitische Krankenhaus und die Familie Heine (II)

Das Israelitische Krankenhaus blickte auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück, als es 1939 sein Stammhaus an der heutigen Simon-von-Utrecht-Straße verlassen musste. Die Heinestraße, die die Reeperbahn mit der heutigen Simon-von-Utrecht-Straße verband, war schon 1938 in Hamburger Berg umbenannt worden. An die jüdische Familie Heine, die so viel für Hamburg getan hatte, sollte nichts mehr erinnern. Der Bankier Salomon Heine hatte den Bau des Israelitischen Krankenhaus finanziert, sein Sohn Carl Heine und dessen Frau Cecile die Unterstützung fortgeführt. Zusammen mit seiner Schwester Therese war Carl Heine zudem an der Gründung der Hamburger Kunsthalle beteiligt.

Neben Carl und Therese hatte Salomon Heine vier weitere Kinder:  Friederike (1795-1823), Fanny (1798-1829), Amalie (1800-1838) und Herrmann (1804-1830). Außerdem hatte er reichlich Neffen und Nichten. Einer seiner Neffen war Harry Heine (1797-1856), Sohn von Salomon Heines Bruder Samson. Nach dem Übertritt zum evangelischen Glauben nannte Harry Heine sich Heinrich Heine und wurde unter diesem Namen als Dichter mit spitzer Feder berühmt.

Heinrich Heine kam 1816 nach Hamburg, 19 Jahre alt, als Bittsteller. Sein Vater Samson hatte in Düsseldorf ein Tuchgeschäft eröffnet, das aber nicht gut lief. Der reiche Onkel Salomon Heine in Hamburg musste seinem Bruder und dessen Familie finanziell unter die Arme greifen und richtete für seinen Neffen eine Filiale des Tuchgeschäfts ein. Heinrich Heine hatte für das Geschäft aber weder Talent noch Interesse und hielt sich lieber im Alsterpavillon auf. Er verliebte sich in seine Cousine Amalie, die er als „hübsch geputztes Sonntagspüppchen“ beschrieb, „bey dessen Fabrikation der himmlische Kunstdrechsler sich selbst übertroffen“ hatte. Seine Liebe blieb jedoch unerwidert, und einige Jahre später nannte er sie nur noch „die dicke Frau“.

Geschäftlich und in Liebesdingen nicht erfolgreich, brach Heinrich Heine 1819 seine Zelte in Hamburg, für ihn eine „Schacherstadt“, erst einmal ab und begann ein Jura-Studium in Bonn, Göttingen und Berlin, finanziert von seinem Onkel Salomon. Die Hochzeit seiner Cousine Fanny mit dem Regimentsarzt Wilhelm Albrecht Schröder (1788–1872) im Jahr 1818 wird Heinrich Heine wohl noch mitgefeiert haben. 1822 kauften das Ehepaar Schröder auf dem Groß Borsteler Frustberg einen Park mit einem Herrenhaus, das 1707 erbaute heutige Stavenhagenhaus. Heinrich Heine hielt sich in den folgenden Jahren noch oft in Hamburg auf, besuchte regelmäßig seine Familie – auch seine Eltern waren nach Hamburg gezogen – und seinen Verleger Julius Campe. Salomon Heine wird seine Tochter und seinen Schwiegersohn sicher gelegentlich in Groß Borstel besucht haben. Vielleicht genoss ja auch Heinrich Heine einmal die ländliche Idylle am Frustberg. Von den dichterischen Bemühungen seines Neffen hielt Salomon Heine nichts: „Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher“.

Heute erinnern in vielen Städten Denkmäler an den Dichter Heinrich Heine. Sogar in der New Yorker Bronx steht eins. Ein Hamburger Heine-Denkmal kam auf abenteuerliche Weise nach Toulon. Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn („Sissy“) hatte es 1873 für ihr Schloss Achilleion auf Korfu anfertigen lassen. Nachdem Kaiser Wilhelm II. das Schloss 1908 gekauft hatte, ließ er das Denkmal entfernen. Heines Verleger Julius Campe erwarb es und stellte es im Hof seines Hauses in der Mönckebergstraße auf, da die Stadt Hamburg an dem Denkmal kein Interesse hatte. Schließlich schaffte Campes Tochter Olivia Bouchard das Denkmal in ihren Wohnort Toulon, wo es im Botanischen Garten aufgestellt wurde. Seit 1982 gibt es aber auch in Hamburg ein Heine-Denkmal. Es erinnert am Rathausplatz an die Hamburger Zeit des berühmten Dichters.

Nachdem das Israelitische Krankenhaus aus seinem Gebäude in St. Pauli vertrieben worden war, setzte es seine Arbeit erst in einer Privatklinik in der Johnsallee und ab 1942 im ehemaligen jüdischen Pflege- und Siechenheims in der Hamburger Schäferkampsallee in notdürftiger Ausstattung fort.

Nach dem Krieg sollte das Israelitische Krankenhaus wieder in altem Glanz neu erstehen. Das Stammhaus in St. Pauli war durch Luftangriffe jedoch stark beschädigt. Es wurde erst 1987 wieder vollständig saniert und steht seitdem unter Denkmalschutz. Die Stadt Hamburg stellte dem Kuratorium des Israelitischen Krankenhauses das Grundstück am Orchideenstieg und vier Millionen Mark für den Neubau zur Verfügung. 1959 wurde der Grundstein für das neue Haus gelegt, das in zwei Bauabschnitten 1961 fertig gestellt wurde. In den 2000er Jahren kamen mehrere Erweiterungsbauten hinzu.

So wie früher in St. Pauli, erhielt auch hier eine Straße in der Nähe den Namen des einstigen Stifters. Die alte Groß Borsteler Verbindungstraße nach Eppendorf, seit der Neuanlage des Ring 2 in den 1970er Jahren mit dem Auto nur über eine schmale Einfahrt von der Straße Rosenbrook zu erreichen, heißt seit 1967 Salomon-Heine-Weg.

Schon vor der Zeit der Nationalsozialisten genoss das Israelitische Krankenhaus einen ausgezeichneten Ruf. Diesen hat es sich an seinem neuen Standort wieder erarbeitet. Das Israelitische Krankenhaus mit seinen etwa 180 Betten zählt gemäß einer Studie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung qualitativ zu den besten Krankenhäusern Deutschlands. Die Chirurgische Klinik hat sich auf Operationen im Bauchraum und hier besonders im Darmbereich spezialisiert und führt in diesem Zusammenhang auch Ernährungsberatungen durch. Auf Einladung der Gemeinde St. Peter hielt der ärztliche Leiter der Klinik, Prof. Dr. Peter Layer, vor ein paar Jahren im Rahmen eines Jahresempfangs einen beeindruckenden Vortrag über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf den Darm. Mit Giulia Enders arbeitet im Israelitischen Krankenhaus zudem eine sehr prominente Ärztin. 2014 veröffentlichte sie noch als Studentin den Sachbuchbestseller „Darm mit Charme“, inzwischen in über 40 Sprachen übersetzt.

Im Unterschied zu vielen anderen Krankenhäusern ist das Israelitische Krankenhaus nicht renditeorientiert ausgerichtet.