DAS OSTERLAMM VON ’57

Ostersonntag ’57, Nachkriegsjahre, tolle Zeit.
Ostertage, die ich liebe, wieder war es heut’ soweit.
Weihnachten, Geburtstag, Pfingsten – alles
prima, alles gut.
Doch dies` Frühlingsfest zu Ostern war so
recht nach meiner Schnut.

Gute Freunde und Familie treffen sich bei uns
zu Haus.
Und das Wetter ist echt himmlisch. Jeder will
jetzt nur noch raus.
Innenhof mit grünem Rasen, Büsche, Bäume
bunt geschmückt.
Amsel, Drossel, Onkel, Tanten… alle zwitschern
wie verrückt.

Wenig Kirche, wenig Jesus, wenig Neues Testament.
Ganz viel frohgelaunte Menschen. Bunte
Kleider, weißes Hemd.
Stühle, Tische, Küchensofa, stehen jetzt bei
uns im Hof.
Vor dem Hühnerstall steht gar nix. Opa sagt:
“Nee, da ist Schwoof.”

Und wir Kinder suchen Eier, krabbeln durch`s
Gebüsch wie wild
Tante Heidi schmückt die Tische, Onkel
Klaus knipst noch ‘n Bild.
Onkel Emil bringt das Eisbein, Tante Martha
Schinkenspeck.
Onkel Hans die dicken Rippchen – Opas
Schwein starb kürzlich weg.

“Ostern ist ein Fest des Lebens, Auferstehung
aus der Not –
deshalb lasst uns schmausen, saufen – nur
das Schwein ist leider tot.”
Und in Opas Trauerworte um sein lang gehegtes
Schwein,
stimmt die Osterfestbagage mit ‘nem satten
Schmatzen ein.

“Gut, dass unser Lamm ein Schwein war”,
merkte Onkel Fritz noch an,
“denn an Opfer-Osterlämmern ist ja meist
nich’ so viel dran.”
Tante Martha, diese dicke, schmeißt sich fast
vor Lachen weg,
Onkle Emil, ohne Zähne, lutscht am fetten
Rückenspeck.

Wir als Kinder finden’s klasse, dürfen zwischendurch
bedien’,
(ich darf heimlich, als Belohnung, mal an Opas “Eckstein” ziehn.)
Onkel Hans gibt Lutz ‘n Groschen, der
schenkt ihm Wacholder nach –
Lutz hat später Zweimarkdreißig… Onkel
Hans liegt leider brach.

Es gibt großes Eierdütschen, wessen Ei
kommt heile durch.
Erster Preis ist dann ein Ausflug, mit dem Rad
nach Ahrensburg
Onkel Ottos Quetschkommode bittet Jung
und Alt zum Tanz.
Alle tanzen ausgelassen – alle – bis auf Onkel
Hans.

Dann komm’ aus den Schrebergärten viele
Nachbarn “reingeschneit”.
Die bring’ Eierköm und Kuchen – und so
mansche Neuigkeit.
Und es wird getanzt, gesabbelt, auch gesungen
falsch und laut.
Und mit Opas Knall-Wacholder wird der Osterschmaus
verdaut.

Dann zum Schluss das Osterfeuer. Onkel
Hans ist aufgewacht.
(“Lass ihn nicht so dicht ans Feuer”, mahnt
uns Opa, Oma lacht.)
Und es knistert, pfeift und lodert, Funken
sprühen gelb und rot
Ostern, Fest der Auferstehung… nur das
“Osterschwein” bleibt tot…