Die Kirchengemeinde St. Peter – Häuser, die Geschichte erzählen

Die Groß Borsteler Kirchengemeinde St. Peter hat ihren Sitz auf dem Grundstück an der Ecke Borsteler Chaussee/Schrödersweg. Auf dem Gelände stehen inzwischen fünf Gebäude oder Gebäudegruppen, die zwar heute nicht mehr alle zur Kirchengemeinde gehören, aber mit der Gemeinde auf die eine oder andere Weise in Verbindung stehen.

Das größte Gebäude ist die Kirche selbst. Sie steht etwas zurückgesetzt und entzieht sich dadurch, umgeben von hohen Bäumen und anderen Gebäuden, etwas den Blicken. Zur Kirche gehört ein 40 Meter hoher Kirchturm. Näher am Schrödersweg steht inzwischen das neue Gemeindehaus. Dahinter liegt der „Högerbau“, der mit einer Front zur Borsteler Chaussee weist. Direkt daneben befindet sich eine schöne alte Jugendstilvilla, die von der Gemeinde vor ein paar Jahren verkauft wurde. Im Rücken der Villa baute ein Investor ein Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen. Die beiden Gebäude haben also mit der Gemeinde St. Peter heute zumindest verwaltungstechnisch nichts mehr zu tun.

Die Geschichte der alten Villa war aber über einige Zeit eng mit der Gemeinde verbunden. Lange bestand das Gemeindezentrum nämlich aus den Gebäuden Kirche, Högerbau und Villa – drei Häuser aus ganz unterschiedlichen Zeiten.

Die Villa entstand um 1890. Zu der Zeit war Groß Borstel noch ein Dorf außerhalb der Hamburger Stadtgrenze. Eine eigene Kirchengemeinde hatte Groß Borstel nicht. Die etwa 1200 Groß Borsteler Einwohner wurden seelsorgerisch noch von der Eppendorfer Gemeinde St. Johannis betreut.

1899 richteten einige Groß Borsteler Bürger, übrigens die gleichen, die auch den Groß Borsteler Kommunalverein gründeten, an die St. Johannis-Gemeinde die Bitte, angesichts wachsender Einwohnerzahlen auch in Groß Borstel Gottesdienste durchzuführen. Der Bitte wurde entsprochen und schließlich entstand daraus der Wunsch nach einem eigenen Gebetshaus und einer eigenen festen Pfarrstelle.

 Der erste Weltkrieg und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise verzögerten die Umsetzung. 1927 nahm das Vorhaben dann aber doch Gestalt an und der Kirchenkreis bewilligte das Geld für den Ankauf des so genannten Griemschen Grundstückes an der Ecke Borsteler Chaussee/Schrödersweg. Das darauf stehende Haus sollte als Pfarrhaus verwendet werden, auf dem Grundstück selber die Kirche entstehen.

Kein Geringerer als Fritz Höger legte einen Entwurf für einen Gebetsraum und eine große Kirche vor. Höger hat in Hamburg und anderswo unzählige Gebäude im Stil des so genannten Norddeutschen Backstein-Expressionismus verwirklicht. Sein berühmtestes Bauwerk ist sicher das 1924-26 entstandene Chilehaus im Zentrum von Hamburg.

Zunächst entstand der Gebetssaal im typischen Höger-Stil, aber bei Weitem nicht so groß wie das Chilehaus – im Gegenteil. Tatsächlich führte der Hamburger Anzeiger vom August 1937 den Groß Borsteler Kirchsaal als kleinste Kirche Hamburgs auf, „nicht größer als ein Wartehäuschen“. Das Gebäude beinhaltet trotzdem einige architektonische Feinheiten, darunter die stimmungsvollen Kirchenfenster. Die enthaltenen Bilder erzählen Geschichten. Der Kirchsaal erhielt den poetischen Namen „Christus über den Wogen“. Högers Entwurf für eine große Kirche wurde in den 1930er Jahren jedoch nicht mehr verwirklicht.

1933 hatte die NSDAP die Macht in Deutschland übernommen. Der Bau von Kirchen gehörte nicht zum Programm der neuen Machthaber. Schon vor und besonders im Krieg wuchs die Einwohnerzahl in Groß Borstel gewaltig an. Vom großen Bombenangriff 1943 blieb der Ortsteil weitgehend verschont. Zerstörungen gab es auch hier, wenn auch in geringerem Ausmaß als in anderen Teilen Hamburgs. Viele ausgebombte Hamburger zogen deshalb hierher an den Stadtrand, wurden in den Wohnungen von Groß Borsteler Bürgern untergebracht oder lebten nun in den Lauben der Kleingärten oder in den notdürftig eingerichteten „Nissenhütten“.

Die Einwohnerzahl stieg in den Kriegsjahren und danach von 4 500 auf bald über 10 000 an. Das Elend der Kriegsjahre hielt auch nach dem Krieg noch einige Jahre an. Die Arbeit der Kirchengemeinde hatte kriegsbedingt drei Jahre lang geruht, wurde Ende 1945 aber wieder aufgenommen.

Wegen der so stark gewachsenen Einwohnerzahl vollzog sich nun die endgültige Trennung von der Gemeinde St. Johannis Eppendorf, und die Gemeinde wurde selbstständig. 1950 war die Einwohnerzahl schon auf knapp 16 000 Einwohner angewachsen. Drei Pfarrer teilten sich in dieser Zeit die seelsorgerischen Aufgaben. Um mehr Raum für Gemeindearbeit und Gottesdienste zu haben, wurde zunächst der Högerbau nach einem Entwurf, der noch von Fritz Höger selber stammte, mit einem Anbau erweitert. Doch das konnte für die weiter wachsende Gemeinde nur eine Übergangslösung sein.

Schließlich wurde die Idee des Baus einer großen Kirche aus der Zeit vor dem Krieg wieder aufgenommen. Im Juni 1958 erfolgte die Grundsteinlegung. Zuvor hatte man sich in einer Gemeindesitzung auf den Namen „St. Peter“ für die Gemeinde und die Kirche geeinigt. Zehn Monate später war das Gebäude bereits fertig und bietet seitdem 400 Besuchern Platz. Die spannende Chronik der Gemeinde St. Peter, zum 50-jährigen Jubiläum 1997 veröffentlicht, kennt neben vielen Details aus der Geschichte der Gemeinde auch die Baukosten der Kirche, etwas über 600 000 D-Mark. Der Entwurf für die Kirche stammte von dem Hamburger Architekten Otto Andersen, der zwischen 1955 und 1971 in Norddeutschland fast 20 Kirchen entwarf.

Die Kirche von St. Peter gilt als besonders gelungen. Von oben aus der Luft gesehen sieht das Gebäude aus wie eine Kirchenglocke mit Klöppel. Von der westlichen Seite wirkt der Backsteinbau mit seinen sich schräg neigenden Wänden wie der Bug eines Schiffes.

Der Altarraum liegt in der abgerundeten Spitze und weist nach Süden. Die Gottesdienste fanden nun in der neuen Kirche statt, der Högerbau wird seit 1964 als Kindergarten genutzt. Die große Zahl von 20 000 Einwohnern in Groß Borstel am Ende der 1950er Jahre, sank nach und nach auf etwas über 8 000 im Jahr 2018.

Von diesen sind heute noch etwa 2600 Mitglieder der evangelischen Gemeinde St. Peter. Ende der 1950er Jahre waren es noch 15 000. Die Anzahl der Pfarrstellen ist inzwischen auf eine gesunken. Pastorin Anna Hinrichs, die viele Jahre eine halbe Stelle ausfüllte, wurde im Mai des Jahres in den Ruhestand verabschiedet. Die Stelle wird nicht neu besetzt. Der hauptamtliche Pastor Jens-Uwe Jürgensen ist nun alleine für die seelsorgerische Arbeit und Predigtdienste zuständig. Gemeinsam mit dem Jugenddiakon Jens Friedrich kümmern sie sich um die Konfirmandenarbeit.

Nach dem Krieg finanzierte die Gemeinde einen Teil ihrer Projekte auch mit Hilfe einer Erbschaft. Das Ehepaar Luise und Wilhelm Burmester hatte der Gemeinde in den 1930/40er Jahren ein Grundstück hinterlassen. Ein Gedenkstein auf dem Kirchen-Grundstück erinnert an sie. Der Verkauf ihrer Hinterlassenschaft in den 1970er Jahren bildete die Grundlage für einen Fonds. Doch irgendwann war dieses Geld aufgebraucht und die Gemeinde musste über ihre finanzielle Zukunft nachdenken. Um die Gemeindearbeit im bisherigen Umfang auch bei sinkender Mitgliedszahl fortführen zu können, wurde beschlossen, einige Immobilien der Kirchengemeinde zu veräußern.

Dazu gehörte ein Grundstück an der Sportallee, auf dem sich einst eine Kapelle befunden hatte. Auch die Doppelvilla Borsteler Chaussee 137/139 wurde verkauft. Für die Pfarrbüros, die bis dahin in der Doppelvilla untergebracht waren, musste ein neues Heim gebaut werden.

So entstand auf dem Grundstück ein neues Gemeindehaus. Nach vielen Planungssitzungen des Kirchengemeinderates wurde das zweistöckige Gebäude 2012 von den Architektinnen Almut Felsenstein und Susanne Backhaus in Zusammenarbeit mit der Architektin des Kirchenkreises Meike Schultz entworfen und 2013 fertig gestellt. In der Bauzeit waren das Gemeindebüro und die Kita in provisorischen Containern untergebracht. Das jüngste Gebäude auf dem Grundstück macht mit seinen großen Fensterflächen einen freundlichen Eindruck und fügt sich mit seinen hellen Klinkersteinen nun harmonisch in das Ensemble ein. Da die Zuweisung von Kirchensteuern durch die Landeskirche von der Anzahl der Gemeindemitglieder abhängig ist, muss die Gemeinde St. Peter für die Durchführung von Sonderprojekten auch mehr und mehr Spenden erbitten.

Dazu kommt, dass der Kirchenkreis Hamburg Ost die Anzahl der kirchlichen Gebäude sehr stark senken will. So wird auch das Kirchengebäude St. Peter nicht mehr durch den Kirchenkreis unterstützt. Die Gemeinde selbst und die übrigen Gebäude sollen aber erhalten werden! Der Gemeinderat St. Peter hat beschlossen, auf eigene – auch finanzielle – Verantwortung das Kirchengebäude zu erhalten: als sakralen Raum in unserem Ortsteil, aber auch als sichtbares Kennzeichen von Groß Borstel. Dabei ist die Gemeinde auf Spenden angewiesen: ein Teil der Kosten für eine neue Heizung, die derzeit eingebaut wird, wird durch zweckgebundene Spenden finanziert. Die Gemeinde hat fünf Jahre dafür gesammelt.

Der Högerbau, die Kirche und auch das Doppelwohnhaus an der Borsteler Chaussee sind in der Hamburger Denkmalliste alle als denkmalgeschützt eingetragen.

André Schulz