VON DER MUSE GEKÜSST

von Jürgen Huwil Wahlen

Grad für uns kleinen Lichter
der Denker und Dichter,
so wie ich eines bin,
haut es oft nicht ganz hin
mit dem Denken und Dichten.
Denn es ist nicht so leicht,
bis es passt oder reicht
für Gedicht oder Mär –
und dann muss sie her:
Die Muse…

Halb neun, Freitagabend, es klopft an der Tür.
Ich öffne leicht grantig: “Wer will was von mir?“
Da steht eine Dralle im weißen Gewand:
„Ich bin Deine Muse, komm reich mir die Hand.
Ich reich Dir die Lippen, ich will Dich erregen
und will Dich mit Küssen zum Dichten bewegen.
Denn Du hast schon lang’ keinen Reim mehr gemacht.
Auf Dein Dorf Groß Borstel, genauer gesagt.“

„Na, dann komm man rein, Du rollige Muse.
Doch bevor Du mich küsst, kleine mollige Suse,
da muss ich Dir sagen, es wird nicht ganz leicht,
und ich weiß nicht so recht, ob das Küssen da reicht.
Ich hab’ mein Groß Borstel schon so oft bedichtet
und auch über mich schon sehr vieles berichtet –
wie ich so geliebt, gelebt und gewohnt,
da bleibt nicht mehr viel, was zu schreiben sich lohnt.“

Die Muse, sie hat sich dann redlich bemüht.
Sie hat mich beflügelt, beküsst und bekniet
und hat es am Ende tatsächlich geschafft,
ich hab’ ein paar Reime zusammengerafft.

Es beginnt Freitagabend, es klopft an der Tür.
Ich öffne leicht grantig: “Wer will was von mir“.
Da steht eine Dralle im weißen Gewand:
„Ich bin Deine Muse, ich reich Dir die Hand…

Doch dann hat die Muse ’ne Biege gemacht.
Ich bin aus dem Schlummer im Sessel erwacht.
Der Fernseher läuft noch, meine Frau schon im Bett.
Der Traum war der Hammer, das Gedicht ist komplett.