Vögel in Gross Borstel

Der Turmfalke

Wer von Groß Borstel aus über das Flughafengelände blickt, kann dort regelmäßig die typische und einmalige Jagdmethode des Turmfalken beobachten: das „Rütteln“ genannte „Stehen“ in der Luft mit schnellem Flügelschlag in 10 bis 20 Metern Höhe auf der Suche nach Mäusen und anderen Beutetieren.

Turmfalken gehören nicht zur Ordnung der Greifvögel, sondern bilden zusammen mit anderen Falken – wie die ebenfalls in Deutschland vorkommenden Wanderfalken und Baumfalken – die eigenständige Ordnung der Falkenartigen (Falconiformes). Dabei ist der Turmfalke (Falco tinuncullus) die häufigste Falkenart Mitteleuropas. In Deutschland gibt es geschätzte 45.000 bis 65.000, in Hamburg ungefähr 160 Brutpaare. Als Kulturfolger ist der Turmfalke den Menschen in die Städte gefolgt und brütet sogar in der Hamburger Innenstadt, zum Beispiel in den Türmen der Nikolai- und Petrikirche.

Turmfalken sind 34 bis 36 cm lang und haben eine Flügelspannweite von 75 bis 76 cm. Die Flügel- und Körperoberseiten sind rötlichbraun, die Flügelenden sind an der Oberseite schwarz. Der lange schmale Schwanz ist hellgrau. Die männlichen und weiblichen Turmfalken unterscheiden sich in der Färbung des Kopfes und Schwanzes: Der Kopf der Männchen ist hellgrau, der Kopf der Weibchen rotbraun. Der hellgraue Schwanz der Männchen weist eine schwarze Binde mit einem weißen Saum am Ende auf. Der Schwanz des Weibchens zeigt zudem eine Bänderung auf der Ober- und Unterseite. 

Aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit lassen sich Turmfalken in den unterschiedlichsten Lebensräumen finden. Sie sind ein häufiger Bewohner der Kulturlandschaft, sofern Feldränder, Waldränder und freie Flächen mit flachem Bewuchs für die Jagd vorhanden sind. Fehlen Bäume, weicht der Turmfalke zum Nisten auf Starkstrommasten und sogar Gebäude in Städten aus. Hierfür nutzt er Vorsprünge und Nischen. Dabei profitiert der Vogel davon, dass Brut- und Jagdhabitat nicht identisch sein müssen, sondern er bis zu fünf Kilometern Entfernung toleriert. 

Turmfalken nutzen die Nester anderer Vögel, Nischen und Mauerlöcher sowie an Gebäuden und Hochspannungsmasten angebrachte Nisthöhlen.

Neben dem bereits erwähnten „Rüttelflug“ halten Turmfalken auch von Ansitzen wie Telegrafenmasten, Zaunpfählen oder Ästen nach Beutetieren Ausschau. Das sind vor allem Kleinsäuger wie Mäuse, in Innenstädten aber auch Singvögel. Stadttauben jagt der Raubvogel aufgrund ihrer Größe eher selten.  Wenn – insbesondere im Winter – die Mäusebestände einbrechen, stehen Regenwürmer und Insekten ebenfalls auf dem Speiseplan. Auch die frisch ausgeflogenen Turmfalken-Jungvögel ernähren sich zunächst von Würmern und anderen Wirbellosen bis sie die nötige Erfahrung für die Jagd auf größere und schnellere Beutetiere haben. Turmfalken sind sogenannte Griffhalter. Sie packen ihre Beute mit den Fängen und töten diese durch einen Nackenbiss mit dem für Falken typischen Falkenzahn, der sich am nach unten gebogenen Oberschnabel befindet.

Ihre Beute töten sie durch einen Nackenbiss mit dem “Falkenzahn”.

Die Turmfalken-Balz findet von März bis April statt. Nach der Kopulation lockt das Männchen das Weibchen zu dem ausgesuchten Brutplatz. Wie alle Falken bauen auch Turmfalken keine Nester. Ursprünglich Felsbrüter, nutzen sie die Nester anderer Vögel, Gebäudenischen und Mauerlöcher an Kirchtürmen und Hochhäusern sowie vom Menschen an Gebäuden und Hochspannungsmasten angebrachte Nisthöhlen.

Die sogenannten Griffhalter können bis zu 18 Jahre alt werden.

Turmfalken brüten bereits im zweiten Lebensjahr. Sie legen in der Regel drei bis sechs Eier, die ockerfarben bis braun sowie meist gefleckt sind. Das Weibchen übernimmt normalerweise das Brüten allein. Nach 27 bis 29 Tagen schlüpfen die Jungen, die in den ersten Tagen vom Weibchen gehudert werden, das die Jungen jetzt nur kurz verlässt, um Nahrung vom Männchen entgegenzunehmen. Bereits Ende der dritten Lebenswoche haben die Jungen mit 200 bis 220 Gramm das Gewicht eines Altvogels erreicht.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jungvogel das erste Lebensjahr überlebt, liegt bei 50 Prozent. Feinde sind vor allem Sperber, Habicht, Marder, Wanderfalke, Uhu und auch der Mensch – unter anderem durch die Zerstörung von Brutplätzen im durch Gebäudesanierungen oder das Anbringen von Netzen zur Vergrämung der Stadttauben. Trotzdem gilt der Turmfalken-Bestand nach der aktuellen Roten Liste Deutschland als ungefährdet. Ringablesungen belegen, dass Turmfalken bis zu 18 Jahre alt werden können.

Text und Fotos: Michael Rudolf