„Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte.“

Eine Geschichte aus Groß Borstel im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts

Vor zwei Jahren besuchte Hermann Schulz Groß Borstel. Er suchte nach dem Haus Sonnenschein, ein ehemaliges Erziehungsheim. Er wollte Eindrücke von dem Stadtteil gewinnen, in dem Therese bis etwa 1930 wohnte, und er wollte im Kommunalvereinsarchiv nach ihr forschen.

Hermann Schulz ist 1938 in Tansania als Sohn eines Missionars geboren worden. Schulz hat ein bewegtes Leben hinter sich. Er lernte Buchhändler, arbeitete dann jedoch im Bergbau als Schlepper – jemand, der bis zu 120 Kilo schwere Schlepptröge mit Kohle zu ziehen bzw. zu schieben hat. Dann verbrachte er einige Monate im Vorderen Orient. Seit 1960 lebt Schulz in Wuppertal. Dort übernahm er den Peter Hammer Verlag. Sein Vorgänger war Johannes Rau, der spätere Bundespräsident. Schulz schrieb über zwanzig Romane und erhielt für seine Arbeit mehrere Literaturpreise.

In einem Supermarkt in Lomé, Togo, lernte Hermann Schulz zufällig Therese kennen. Sie erzählte ihm ihre Geschichte. Thereses Eltern waren um 1900 als Mitglieder einer sogenannten Völkerschau, wie sie in Hamburg auch Carl Hagenbeck veranstaltete, von Togo nach Wuppertal verfrachtet worden.
Als Therese 1900 kurz nach der Ankunft in Wuppertal geboren wurde, sollte sie nicht mit den Eltern weiterreisen. Um dem Säugling die strapaziösen Reisen zu ersparen, vertraute der Vater ihn Pflegeeltern an, dem Ehepaar Hufnagel, das dem Mädchen ein liebevolles Zuhause gab.

Über Umwege kam Therese nach Hamburg. Dort arbeitete sie als Erzieherin im Haus Sonnenschein in Groß Borstel. Hermann Schulz hatte bei seinem Besuch in Groß Borstel ein Foto bei sich: Therese an einem schönen Sommertag vor dem Haus Sonnenschein, umringt von lauter Kindern. Die schwarze Erzieherin soll in Groß Borstel sehr beliebt gewesen sein.

Als sich 1930 jedoch die politische Lage zuspitzte und die Nazis an die Macht kamen, verließ Therese Deutschland und wanderte in das ihr unbekannte Togo aus, das Land ihrer Eltern. Dort erzählte sie Hermann Schulz ihre Lebensgeschichte, die er zu dem Roman „Therese – Das Mädchen, das mit den Krokodilen spielte“ verarbeitete.

Hermann Schulz besucht Groß Borstel am 13. Oktober erneut, und er stellt dann seinen frisch erschienen Roman vor. Die Lesung, die Kirchengemeinde und Kommunalverein gemeinsam organisieren, findet nach der Mitgliederversammlung des Kommunalvereins um 19.30 Uhr in der Kirche St. Peter statt. Eintritt ist frei. Die dann geltenden Coronavorschriften sind zu beachten.

Uwe Schröder