(Keine) Pferde in Groß Borstel

Interessant ist das geplante Anschlussgleis, das im Bereich hinter der Pulvermühle abzweigen und schätzungsweise in Ohlsdorf wieder an das Netz angeschlossen werden sollte. 1951 verwendete man noch Karten aus der Zeit des Dritten Reichs; das Stadion war noch mit Adolf-Hitler-Kampfbahn bezeichnet. 1967 ist die Anlage der berittenen Polizei in Groß Borstel noch eingezeichnet.

Das Dorf Groß Borstel im Nordwesten von Hamburg war einst eine echte Pferde-Hochburg, nachdem hier 1891 am südlichen Rand des Borsteler Moores, auf dem sich jetzt der Flughafen befindet, die Pferderennbahn eröffnet wurde. Am Rande der Rennbahn entstanden naturgemäß eine Reihe von Reitställen und auch Reitschulen.

Polizeireiter im deutschen Kaiserreich 1871 – 1918. Aufnahme aus der Hauptstdt Berlin.
Der Innenhof mit Stallungen und Paddock, beschattet von einigen Linden. In der Garage links ist ein Polizeikäfer zu sehen

Nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Groß Borsteler Rennbahn an Bedeutung. Beim Ausbau des Hamburger Flughafens durch die Engländer nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Rennbahn abgebaut. Pferde gab es aber in Groß Borstel noch bis in die Mitte der 1970er Jahre. In den Reitställen hinter dem Borsteler Jäger waren nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Soldaten der Royal Air Force untergebracht. Nach dem Abzug der englischen Besatzungstruppen 1953 bezog die Reiterstaffel der Hamburger Polizei hier eines ihrer fünf Depots.

Die berittene Hamburger Polizei war am 9. September 1870 in der Nachfolge der berittenen Hamburger Nachwächter ins Leben gerufen worden. 15 Constabler mit Pickelhaube und Säbel bezogen ihr erstes Depot mit der Adresse Raboisen 6. 1910 hatte Hamburg schon 44 Polizeireiter und ein zweites Depot an der Bundesstraße in Eimsbüttel. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war die Polizei in ihrer Organisation dem Militär angelehnt und wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Nationalsozialisten auch in besetzten Gebieten eingesetzt.

Nach dem Ende des Krieges wurde ein Großteil der 300 Hamburger Polizeipferde mit Fahrzeugen und Geschirr für 215 000 Reichsmark versteigert. Knapp 30 Pferde blieben im Dienst. Die Polizeireiter sollten die Lücke zwischen den Fußstreifen und motorisierten Funkstreifen füllen. Die Standorte verlegte man von der Innenstadt an den Stadtrand, zum Schutz von ländlichen Gebieten. Anfang der 1960er Jahre verfügte die Hamburger Reiterstaffel noch über 42 Pferde für 70 Polizeireiter.

In Groß Borstel, zwischen dem Borsteler Jäger und der Schwartauer Straße, befanden sich auf einer Fläche von 30 000 Quadratmetern neben den Ställen eine Reitschule und ein Übungsgelände zur Ausbildung der Pferde und der Polizisten, darüber hinaus aber auch ein Übungsgelände für Hundeführer. Die Stallungen sowie die Büros der Verwaltung befanden sich zwischen der damals noch geradeaus laufenden Schwartauer Straße und dem Licentiatenweg

Der Nutzen der Reiterstaffel stand jedoch angesichts zunehmender Motorisierung zumindest bei der Politik schon zu dieser Zeit in der Diskussion. Für den Chef der Reiterstaffel in den frühen 1960er Jahren, Hauptkommissar Kiene, stellte sich diese Frage nicht. Er verwies auf 30 Sondereinsätze der Polizeireiter allein im Sommer in Bereichen und Gegenden von Hamburg, die weder zu Fuß noch mit Fahrzeugen gut und schnell zu erreichen waren. Dazu gehörte beispielsweise die Überwachung der Campingplätze rund um Hamburg in waldreichen und im Sommer brandgefährdeten Gebieten. Auch im Niendorfer Gehege patrouillierten die Polizeireiter regelmäßig. Als besonders nützlich erwiesen sich die Polizeireiter bei Großveranstaltungen.

Ein berittener Polizist ersetzte zehn Polizisten zu Fuß. Teuer war die berittene Polizei zumindest in dieser Zeit auch nicht. Anfang der 1960er Jahre kostete ein Pferd 3000 Mark in der Anschaffung und drei Mark Futterkosten pro Tag.

1965 wurden der Flughafen und die angeschlossene Luftwerft ausgebaut. Um Kosten in Höhe von 800 000 Mark zu sparen, wollte man den Kies und Sand zur Ausbesserung der Landebahn 1 gleich vom Gelände nebenan entnehmen, vom Gelände der Polizei-Reitschule. Der Schul- und Ausbildungsbetrieb der Polizeireiter sollte schrittweise stillgelegt werden. Ein Teil der Reiterstaffel mit acht Pferden musste kurzfristig in das Gut Wendloh nach Schnelsen verlegt werden.

1967 war die Reiterstaffel wegen der Erweiterung des Flughafens gezwungen am Licentiatenweg ihren letzten Reitplatz aufzugeben.Es lagen auch schon Pläne für einen weiteren Ausbau der Luftwerft vor. Aus diesem Grund sollte die Groß Borsteler Polizei-Reiterstaffel spätestens 1972 aufgelöst werden.

Bei der Polizeiführung wehrte man sich gegen die Pläne, und auch bei der Bevölkerung in Groß Borstel waren die Reiter beliebt. Zum Tag der Offenen Tür im September 1969 kamen 5000 Besucher. 1970 wurde das 100-jährige Jubiläum mit einer glanzvollen Vorführung der Dressurkünste der Polizeipferde gefeiert.

Drei schmucke Jungs mit ihren Reitern

1972 hatte die Stadt Hamburg die Schweizer Unternehmensberatung Knight Wegenstein beauftragt, Einsparungsmöglichkeiten im Öffentlichen Dienst zu finden. Die Hamburger Reiterstaffel wurde als uneffektiv beurteilt und sollte nach dem Vorschlag der Schweizer aufgelöst werden. Es gab heftige Proteste bei der Bevölkerung und auch Widerstand in der Schutzpolizei. Die Effektivität des Einsatzes von Reitern liege in der vorbeugenden Wirkung. Eine Rentabilitätsberechnung sei deshalb überhaupt nicht möglich, argumentierten die Gegner der Sparpläne.

  • Polizeireiter sind nahezu fertig ausgebildete Pferdewirte. Die Pflege und Instandhaltung des beweglichen Materials obliegt ihnen.
  • Die Auflösung wurde trotzdem beschlossen und erfolgte schrittweise. 1973 gab es in Groß Borstel noch acht Polizeipferde der Reiterstaffel, die aber auch weichen sollten, da die Luftwerft sich um 20.000 qm in Richtung Groß Borstel weiter ausdehnen wollte. Zwölf Polizisten-Familien, die im Reiter-Depot von Groß Borstel wohnten, erhielten zum 31. Dezember 1974 ihre Kündigung. Dem Rotstift fiel aber nicht nur die Reiterstaffel zum Opfer. Die ganze Hamburger Polizei wurde verschlankt und umorganisiert, und auch die Groß Borsteler Polizeistation an der Stavenhagenstraße wurde aufgelöst.

    Im Sommer 1975 war endgültig Schluss für die gesamte Hamburger Reiterstaffel. Die berittene Hamburger Polizei wurde aus Kostengründen aufgelöst. Eine 105-jährige Tradition fand ihr Ende. Einige Pferde verschenkte die Stadt an karitative Organisationen. Im August und September 1975 wurden die restlichen 45 Polizeipferde im Reiterdepot Groß Borstel (Licentiatenweg 65) versteigert und erzielten Preise zwischen 2000 und 9100 Mark.

    Polizeireiter sind nahezu fertig ausgebildete Pferdewirte. Die Pflege und Instandhaltung des beweglichen Materials obliegt ihnen.
    Ohne absolutes Vertrauen zwischen Pferd und Reiterinnen würde die harte Ausbildung (z.B. Qualm ertragen) nicht funktionieren.

    2010 feierte Hamburg die Wiedergeburt der Reiterstaffel, allerdings nicht mehr in Groß Borstel. „Pferde sind Sympathieträger“, argumentierte der damalige Innensenator Heino Vahldieck (CDU). „Sie bereichern das Stadtbild und wirken deeskalierend.“ Beim Neustart bestand die Reiterstaffel aus acht Pferden und zehn Reitern. Die Mitarbeiter der Reiterstaffel sind nun im Polizeikommissariat 25 in Hamburg-Bahrenfeld untergebracht, die Pferde stehen im Reitstall Düpenautal in Hamburg-Osdorf.
    André Schulz