HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

Das Lichtforschungsinstitut im Moorweg

Schon vor Gründung der Universität im Jahr 1919 gab es in Hamburg eine Reihe von Forschern, die mit ihren Arbeiten überregionale Bedeutung erlangten. Einer von ihnen war Dr. Ferdinand Dannmeyer, Lehrer, später Studienprofessor an der Helene-Lange-Schule. Er wohnte in Groß Borstel.

Geboren wurde Ferdinand Dannmeyer am 26. August 1880 Kiel. Sein Vater, ein Volksschullehrer, zog bald nach der Geburt seines Sohnes mit seiner Familie nach Hamburg um. Ferdinand Dannmeyer besuchte das Realgymnasium des Johanneums am Holstentor und zeigte schon als Schüler große Begabung für Mathematik und die Naturwissenschaften. Nach der Schulzeit studierte Dannmeyer Mathematik und Physik in Gießen und Kiel und promovierte 1904 mit einer Dissertation über „Geometrie im Lobatschefskij‘schen Raum“. In Kiel lernte er den Lotseninspektor Julius Marxen kennen, der ihn mit den nautischen Problemen der Leuchtfeuerschiffe auf der Elbe vertraut machte. Für einen Neubau des Feuerschiffs „Elbe 1“ entwickelte Dannmeyer eine nebeldurchdringende Lichtquelle mit Hilfe einer neuen Art von Prismen, was ihm einige Anerkennung einbrachte.

Ferdinand Dannmeyer

1905 trat Ferdinand Dannmeyer in den Schuldienst ein, 1907 wurde er Oberlehrer. 1908 heiratete er Julius Marxens Tochter Minna und zog mit ihr in ein Haus in Groß Borstel im damaligen Moorweg 50. Als 1960 die Straßenführung geändert und die einstige Violastraße als Köppenstraße bis zum Klotzenmoor fortgeführt wurde, änderte sich die Adresse. Heute steht es an der Köppenstraße 38.

Mit seiner Frau Minna bekam Ferdinand Dannmeyer drei Kinder: Hilde Mathilde Wilhelmine (1910), Liselotte (1912) und Julius Karl-Heinrich Dietrich (*1917). Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg, den er bei einer Artillerieeinheit und bei der Marine erlebte, gründete Ferdinand Dannmeyer 1919 mit anderen Hamburger Forschern am Eppendorfer Krankenhaus das „Institut für physikalisch-biologisch Lichtforschung e.V.“. Das Institut wurde zum größten Teil ehrenamtlich geführt und betätigte sich auf den Gebieten der Krebsforschung, Diabetes, Pharmakologie und auch Klimaforschung. Ferdinand Dannmeyer interessierte sich besonders für die Erforschung des Lichts, speziell des UV-Lichts, dessen Natur und Beschaffenheit zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch recht unbekannt war.

Er untersuchte die Wirkung von künstlichem und natürlichem Licht auf den Menschen und verband seine Reiselust mit seinem wissenschaftlichen Interesse. Er unternahm mit seinen Kollegen weite Seereisen und vermaß das Licht über der Nord- und Ostsee, dem Atlantik und dem Pazifischen Ozean. Der Meteorologe Dr. Joachim Schubert reiste auf Anregung von Dannmeyer bis nach Südafrika und stellte bei seinen Messungen dort einen deutlich höheren Anteil an UV-Strahlung im Sonnenlicht fest. Als Ursache wurden schon damals Löcher in der Ozonschicht der Atmosphäre vermutet. Die Ozonschicht filtert einen Großteil der ultravioletten Strahlen aus dem Sonnenlicht heraus.

Schon 1924 hatte Dannmeyer auf der Insel Neuwerk ein Stück Land gekauft und errichtete hier 1927 eine primitive mit Teerpappe verkleidete Bretterbude. Der Schuppen wurde von Dannmeyer nun als Außenstelle des Eppendorfer Instituts geführt. Von Neuwerk aus unternahm er regelmäßige Messungen über der Nordsee und beobachtete dabei aus der Ferne über Hamburg eine große Dunstglocke. Dannmeyer stellte einen Zusammenhang zwischen der Krankheit „Rachitis“ (auch: Englische Krankheit), den schlechten Lichtverhältnissen über den Industriestädten und dem Mangel an UV-Licht her. Rachitis, eine vor allem bei Kindern auftretende Wachstumsstörung der Knochen, war zu Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet.

Heute weiß man, dass die Krankheit durch den Mangel an UV-Licht und der damit verbundenen zu geringen Vitamin-D-Bildung verursacht wird. Auf Anregung von Dannmeyer entwickelte der österreichische Physiker Franz Skaupy zu medizinischen Zwecken die erste „Vitalux“-Lampe, ein Strahler mit einem UV-durchlässigen Glaskörper, der künstliches UV-Licht erzeugt.

Kinderkrankenbetten auf der sonnendurchfluteten Terrasse der Nordheim-Stiftung in Cuxhafen

Das Institut für physikalisch-biologische Lichtforschung war mit seinen Untersuchungen auch auf anderen Gebieten der Medizin-forschung erfolgreich. UV-Lichttherapien wurden bei Tuberkulose-Kranken in Häusern der Nordheim-Stiftung eingesetzt. Auf dem Gebiet der Krebsforschung erforschte das Institut das Verhalten von Licht beim Auftreffen auf Blut von krebskranken Patienten, um daraus eine Methode zur Frühdiagnose von Krebserkrankungen zu entwickeln.

1926 unternahm Ferdinand Dannmeyer zusammen mit dem Hamburger Kinderarzt Ludwig Gmelin eine Forschungsreise auf die Färöer-Inseln und nach Island. Er entdeckte, dass auch das Licht in den nördlichen Breiten einen vielfach höheren Anteil an UV-Strahlung hatte. Dieser war sogar noch nach Sonnenuntergang nachweisbar („Dannmeyer-Phänomen“). Die Krankheit Rachitis war auf Island unbekannt. Dannmeyer vermutete den Dunst über dem Golfstrom als Ursache für den hohen UV-Anteil des Lichts in den nördlichen Breiten.

Auf Island nahm Dannmeyer von einem Fischerboot aus akustische Tiefenmessungen mit einem Fall-Lot in 1500 Meter Meerestiefe vor und unternahm Pilotballonaufstiege auf Höhen von über 20.000 Metern. In Höhen von 8 bis 14 km stellte Dannmeyer sehr starke Windgeschwindigkeiten (200 bis 500 km/h) fest, die heute als Jet Stream bekannt sind. Die nähere Untersuchung dieser Stürme in der Troposphäre war später auch für die ebenfalls in Groß Borstel wohnenden Meterologen Alfred Wegener und Johannes Georgi einer der Gründe für ihre Grönland-Expedition.

1932 wurde das Institut aus finanziellen Gründen der Frauenklinik in der Finkenau angegliedert. 1939 wurde die staatliche Förderung kriegsbedingt ganz eingestellt. Dannmeyer verlegte das Institut nun in sein Wohnhaus im Moorweg. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Dannmeyers Haus zweimal bei Bombenangriffen getroffen. Nach dem zweiten Treffer war es zeitweise nicht bewohnbar, wurde aber noch im Krieg wiederaufgebaut.

Dannmeyer Häuser im Moorweg und auf Neuwerk

1943 brannte auch Dannmeyers Hütte auf Neuwerk infolge von Brandstiftung ab, wurde aber ebenfalls noch im Krieg vom Reichsarbeitsdienst neu errichtet, sogar in fester Steinbauweise.

Im Laufe seines Lebens musste Dannmeyer eine Reihe von Schicksalsschlägen hinnehmen. So starb noch in den allerletzten Kriegstagen sein Sohn, der als Arzt diente, bei einem Aufstand von Zwangsarbeitern auf Texel.
Das Institut für physikalisch-biologische Lichtforschung veröffentlichte in der Zeit seines Bestehens weit über 100 wissenschaftliche Artikel in nationalen und internationalen Fachzeitschriften.

An der ersten Veröffentlichung über die medizinische Verwendung von ultravioletten Strahlen waren neben Ferdinand Dannmeyer auch der Physikochemiker Dr. O. Hartleb und der Groß Borsteler Arzt Dr. E. Ahlswede (aus der Köppenstraße 2) beteiligt.

Mit Island und isländischen Forschern pflegte Ferdinand Dannmeyer bis zu seinem Lebensende einen intensiven Gedankenaustausch und gründete nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 den Verein der Freunde Islands. 1954 wurde er vom isländischen Staatspräsidenten mit dem Großritterkreuz des Falkenordens ausgezeichnet.

Ferdinand Dannmeyers 1912 geborene Tochter Liselotte hatte 1938 den Hamburger Fotografen und Dokumentarfilmer Alfred Ehrhardt geheiratet. Zusammen mit seinem Schwiegersohn veröffentlichte Ferdinand Dannmeyer 1952 ein Buch über die Insel Neuwerk – „Ein Turm und seine Insel“.

Diesen Monat jährt sich Ferdinand Dannmeyers Tod zum 60. Mal. Er starb am 13. November 1959. Seine Tochter Liselotte und sein Schwiegersohn, leben nun im Haus in der heutigen Köppenstraße. Alfred Ehrhard teilte das Interesse seines Schwiegervaters an der Natur der Meereslandschaften – setzte es aber auf ganz andere Weise um. Sein Leben und Werk ist eine eigene Geschichte.

In Erinnerung an Ferdinand Dannmeyer wurde die Verbindungsstraße vom Nirrnheimweg zum Eberkamp Dannmeyerstraße benannt.

Mit bestem Dank an Dr. Jens Ehrhardt, Dr. Christiane Stahl, Clara Kannenberg, Rotraut Nielsen und Hilde Nielsen-Harke für die freundliche Unterstützung. Fotos: Familie Erhardt-Nielsen und Alfred-Ehrhard-Stiftung.
André Schulz

Dannmeyer auf Neuwerk