HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

WÄSCHEREI MUUSS IM BRÖDERMANNSWEG

Im Brödermannsweg

Zu den ältesten Gebäuden am heutigen Brödermannsweg gehören die Häuser mit den Hausnummern 51 bis 55. Sie wurden Ende des 19. Jahrhunderts/ Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und waren die ersten Häuser überhaupt, die auf dieser Seite auf den Grundstücken zwischen der Straße und dem Lauf der Tarpenbek entstanden. Der Brödermannsweg hieß damals noch Schulweg, denn an der Ecke zur Borsteler Chaussee stand die Schule, so wie heute noch.

Erst 1925 erhielt der Schulweg seinen jetzigen Namen nach dem Schiffsmakler Johann Hinrich Brödermann, der hier 1771 einen Park angelegt hatte. Als die Häuser gebaut wurden, war der Schulweg noch ein unbefestigter Feldweg, der die Borsteler Chaussee mit dem Lokstedter Damm verband. In der Mitte gab es einen Fahrweg, der vom Fußweg am Rand nur durch einige Felsblöcke abgegrenzt war.
Nachts waren diese kaum zu erkennen, denn der Weg wurde lange nur durch ein paar kleine Petroleumlampen unzulänglich beleuchtet. Bei Regen war der Weg wegen der riesigen Lachen und Pfützen, die sich dann bildeten, schnell unpassierbar. Der Ausbau des Schulweges war lange in der Diskussion, aber einerseits war das Dorf Groß Borstel aus Hamburger Sicht weit weg und bauliche Maßnahmen dort nicht dringlich, andererseits konnte man sich lange mit den Anwohnern nicht über die Kosten einigen.

1901 kaufte August Thiess das Grundstück Nr. 53 am damaligen Schulweg und betrieb hier eine Bleicherei. Im März 1904 erweiterte er das bestehende Gebäude um einen Anbau, der als Schweinestall und Futterküche diente. Im Mai des Jahres 1904 verkaufte er seinen Betrieb jedoch für 2800 Mark an Heinrich Hannes Muuss. Eine Wohnung in der Bleicherei wurde an den neuen Firmeninhaber zunächst für 50 Mark, später 75 Mark monatlich nur vermietet. Im August 1914 erwarb Heinrich Muuss dann das ganze knapp 1900 qm große Grundstück mit allen Gebäuden zum Preis von 25.000 Mark. Auf dem Grundstück befanden sich ein Wohngebäude, eine Plättstube, ein Waschhaus, ein Pferdestall und eine Remise für den Bleichwagen. Am Ende des Grundstücks, zur Tarpenbek hin, befand sich die „Schwindgrube“, eine mit Holzbohlen abgedeckte Abwassergrube.

Marie und Heinrich Hannes Muuss in jungen Jahren

Bis 1951 mit der „Constructa“ die erste vollautomatische Waschmaschine auf den Markt kam, war Waschen eine sehr mühselige Angelegenheit. Die Wäsche musste auf mechanischem Weg im Wasser gereinigt werden, durch Klopfen, Stampfen, Schlagen und Reiben auf einem Waschbrett, um so allmählich den Schmutz zu lösen. Das Kochen der Wäsche erleichterte den Reinigungsvorgang nur unwesentlich. Seife konnten sich nur wohlhabende Familien leisten. Diese war lange nur als Block erhältlich. Waschpulver gab es erst ab 1880. Das erste Vollwaschmittel von Fritz Henkel kam schließlich 1907 auf dem Markt.

In der Plättstube

Wer es sich leisten konnte, gab seine Wäsche zum Waschen an Bleichereien oder Feinwäschereien weg. Diese benötigten für ihren Betrieb sauberes Wasser, genügend Platz, um die gewaschene Wäsche zum Trocknen auszulegen oder auszuhängen und natürlich Kunden. Das alles war in Groß Borstel am Ufer der Tarpenbek zu finden. Neben Familien aus der Mittel- und Oberschicht gehörten auch Gewerbebetriebe wie Gasthäuser und Hotels zu den Kunden.

Die Wäscherei Muuss lief sehr gut und fand Kunden im ganzen Hamburger Stadtgebiet, bis nach Blankenese.

Nachdem sich der geplante Ausbau des Schulweges über viele Jahre hingeschleppt hatte, gab der Hamburger Senat Ende der 1920er Jahre grünes Licht. Einer der Gründe dafür war wohl in den Planungen für die „Akademische Stadt“ in Groß Borstel zu suchen. Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Schumacher wollte die neue Hamburger Universität aus der Enge des Zentrums an den Rand der Stadt verlegen und einen Campus nach angloamerikanischem Vorbild anlegen. Für das Vorhaben hatte er das damals noch unbebaute Gelände in Groß Borstel zwischen Borsteler Chaussee und dem Weg beim Jäger ausgewählt. Die Verlegung der Universität nach Groß Borstel wäre mit vielen weiteren Bauvorhaben verbunden gewesen. Wegen der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde jedoch nichts aus dem Schumacher-Plan. (Einen Artikel dazu finden Sie im Groß Borsteler Boten September 2020)

Die Mangel für große Wäschestücke

Auch während des Zweiten Weltkrieges konnte die Wäscherei von Heinrich Muuss ihren Betrieb fortsetzten. Sein Sohn Alexander, der den Betrieb übernehmen sollte, fiel jedoch im Krieg. Heinrich Muuss starb am 2. September 1950, seine Frau Maria am 31. Mai 1955. Die Wäscherei Muss existierte noch bis 1961.

Die baufälligen Schuppen
Die Wäscherei zog sich durch das Haus bis in diesen Anbau

Nach dem Tod von Heinrich Muuss‘ Tochter Resi im Jahr 1975 ging der Besitz an Elly Sander, geborene Muuss, und an den Sohn von Alexanders Muuss, Joachim Muuss, über. Joachim Muss verkaufte seinen Anteil 1979 an Elly Sander. 1988 erbten Uwe und Wilfried Sander das Grundstück Brödermannsweg 53 mit allen Gebäuden.

Da das Grundstück für eine moderne Bebauung zu schmal war, bemühte sich Wilfried Sander, die Nachbargrundstücke 51 und 55 ebenfalls zu erwerben, verfing sich aber zunächst im Kompetenz-Wirrwarr und sich widersprechenden städteplanerischen Vorschriften des Bezirksamtes Hamburg-Nord.

Ein Gedenktafel erinnert an die Gründer der Wäscherei
Der Neubau auf dem Grundstück der Wäscherei
Ein 70 Jahre altes Kopfsteinpflaster aus Barmbek schmückt heute die Zufahrt zum Neubau

Erst nach zehn Jahren hartnäckigen Bemühens und zähen Verhandlungen gelang es ihm, den gordischen Bezirksamtsknoten zu zerschlagen. Er kaufte die beiden Nachbargrundstücke und erwarb auch den Anteil seines Bruders Uwe am Grundstück Nr. 53. In den Jahren 2000/2001 sanierte Wilfried Sander die drei alten Gebäude an der Straße. In diesen befinden sich nun zehn Wohnungen.

Die maroden Gebäude im Hinterhof ließ er abreißen, um hier einen Neubau zu errichten.

Nach zwei Jahren mit erneut langwierigen Verhandlungen mit dem Bauamt konnte er schließlich ein modernes Mehrfamilienhaus bauen lassen, mit 24 Wohnungen. Unter dem Haus befindet sich eine Tiefgarage mit 33 Stellplätzen. Das hoch stehende Grundwasser am Rande der Tarpenbek konnte nur mit Spezialtechnik einer niederländischen Firma eingedämmt werden.
Die Zufahrt zum Hinterhaus ließ Wilfried Sander mit altem Kopfsteinpflaster belegen, das zuvor 70 Jahre lang vor einer Lehrwerkstatt der Klempner- und Installateurs-Innung am Barmbeker Markt 19 gelegen hatte. Schilder am Haus erzählen von der Geschichte der Gebäude und in der Tiefgarage des Neubaus ließ Wilfried Sander Fotos aus „alter Zeit“ aufhängen.

Das Grundstück am Brödermannsweg liegt Wilfried Sander am Herzen. Als Junge fuhr er hier für seinen Großvater Wäsche aus.
André Schulz