HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

Luftschiffe über Hamburg (I)

Als Folge der Covid-19-Pandemie ruht der Flugverkehr am Hamburger Airport derzeit weitgehend. In Zeiten des Hochbetriebes hat man in Groß Borstel allerdings ein zumindest zwiegespaltenes Verhältnis zum Flughafen, der lange Zeit den Namen Hamburg-Fuhlsbüttel trug und nun nach Helmut Schmidt benannt ist. Viele frühe Starts und häufige Ausnahmen vom Nachflugverbot sorgten für dauerhafte Lärmbelästigungen. Der Kommunalverein wollte vor einiger Zeit Klarheit über die rechtlichen Grundlagen schaffen und ließ dabei im Staatsarchiv auch nach der Betriebserlaubnis suchen. Gefunden wurde nur eine für Luftschiffe, nicht für Flugzeuge.

Titel Postkarte, um 1910


Es war im Jahr 1910, als Ferdinand Graf Zeppelin Hamburg besuchte und vor den Honoratioren der Stadt für seine Idee von lenkbaren Luftschiffen warb. Graf Zeppelin (1838-1917) war ursprünglich Offizier der württembergischen Armee. Als Beobachter des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) auf der Seite der Nordstaaten hatte er gesehen, wie bemannte Ballone zur Aufklärung und zur Lenkung von Artilleriefeuer eingesetzt wurden. Allerdings zeigten sich die eingesetzten Luftfahrzeuge als anfällig für Wind und Wetter, drehten sich in ungewünschten Richtungen oder wurden weit abgetrieben. Graf Zeppelin dachte über die Konstruktion lenkbarer Ballone nach. Im Februar 1894 veröffentlichte Zeppelin zusammen mit seinem Mitarbeiter Theodor Kober seine „Denkschrift über das lenkbare Luftschiff “.

Der Bau des ersten Zeppelin-Luftschiffs begann 1898 in Friedrichshafen. Am 2. Juli 1899 folgte der 18-minütige Jungfernflug über dem Bodensee. Bis 1911 wurden acht weitere Luftschiffe gebaut, die aber nur eine kurze Lebensdauer hatten und ihr Ende zumeist bei Unglücken fanden. Das zivile Luftschiff LZ 10 Schwaben schaffte in dem Jahr seiner Existenz immerhin 224 Fahrten mit 4300 Passagieren, bevor es bei einem Unglück in Düsseldorf zerstört wurde. Graf Zeppelin ließ sich aber von den Rückschlägen nicht entmutigen. Er träumte von einem Netz von Lufthäfen, zwischen denen er mit seinen Luftschiffen Passagiere befördern konnte.

Zeppelins Besuch in Hamburg war von Erfolg gekrönt. Sein Vortrag und seine Visionen über die Möglichkeiten einer Beförderung von Passagieren durch die Luft begeisterte die Hamburger und führte zur Gründung der Hamburger Luftschiffhallen GmbH (HLG), die mit einem Kapital von 685.000 Mark aus privaten Mitteln an den Start ging.

Als Standort für den Hamburger Lufthafen wählte man eine freie Fläche am Stadtrand von Hamburg, im Borsteler Moor zwischen Groß Borstel und Fuhlsbüttel, nahe der Groß Borsteler Rennbahn.

Postkarte zum Jungfernflug der LZ10 „Schwaben“
Werbeanzeige des Architekturbüros H. C. E. Eggers, Hamburg
Die LZ13 „Hansa“ in der Luftschiffhalle in Groß Borstel

1912/13 entstand als Kernstück des 60 Hektar großen Lufthafengeländes eine von der Hamburger Firma H.C.E. Eggers & Co in Eisenkonstruktion erbaute Doppelhalle für Luftschiffe, die Zeppelinhalle. Die Pläne stammten von den Hamburger Architekten Hermann Distel und August Grubitz. Die über 160 Meter lange und etwa 100 Meter breite Halle konnte mit zwei 25 Metern breiten und 25 Meter hohen Schiebetüren verschlossen werden. Bald danach war der Hamburg Luftschiffhafen im Liniendienst der Zeppeline „Victoria Luise“ (LZ 11) „Hansa“ (LZ 13) mit den Städten Düsseldorf, Baden-Oos, Berlin-Johannisthal, Gotha, Frankfurt, Dresden und Leipzig verbunden. Inzwischen stiegen im Südosten des Geländes die ersten Sportflugzeuge auf.

Postkarte um 1913. Der Zeppelin LZ11 „Victoria Luise“ über der Halle in Hamburg
Das Prallluftschiff der Marke Parseval beim Jungfernflug in Augsburg

Graf Zeppelin war nicht der einzige Luftfahrt-Pionier, der sich mit der Konstruktion von lenkbaren Luftschiffen beschäftigte. In vielen Ländern, und auch in Deutschland, entstanden in dieser Zeit eine Reihe von weiteren Firmen, die mit lenkbaren Luftschiffen mit unterschiedlichen Konstruktionsansätzen experimentierten. Zu diesen gehörten die Luftschiffe des Konstrukteurs August von Parseval (1861-1942). Er war ebenfalls Angehöriger des Militärs, in Bayern, bevor er mit seinem Kompagnon Hans Bartsch von Sigsfeld 1897 einen Drachenballon konstruierte, der durch seine besondere Form und Konstruktion die Windanfälligkeit der herkömmlichen runden Ballone verringern sollte. Im Unterschied zu den Zeppelinen besaßen die Parseval-Luftschiffe kein stützendes Aluminiumskelett. Es handelte sich um Prallluftschiffe.

Die Drachenballone wurden vom Militär erfolgreich als Beobachtungsballone eingesetzt. Spätere Konstruktionen eigneten sich auch zur Beförderung von Passagieren. Wie die Zeppeline auch wurden die Parsevale von seitlich angebrachten Motoren angetrieben.
1911 hatte der Hamburger Unternehmer Richard Pfaffe (1869-1927) die Hansa-Luftverkehrsgesellschaft gegründet und ein Parseval-Luftschiff gekauft, um damit über Hamburg Passagiere auf Ausflugsfahrten zu befördern.

Plakat zur ILA 1909 mit einem Parseval-Luftschiff

Als Stützpunkt ließ er in Ohlsdorf an der Fuhlsbütteler Straße, neben dem Ausflugslokal „Schmuckshöhe“, von der Kieler Baufirma Joh. Burchard Wwe. eine 85 Meter lange Luftschiffhalle aus Holz bauen. Das Parseval-Luftschiff, vermutlich handelte es sich um PL 6 oder PL 9, wurde am 4. Juni 1911 nach Hamburg überführt und unternahm am 12. Juni seine erste Passagierfahrt.

Zahlreiche Zuschauer waren erschienen, um sich das Spektakel aus nächster Nähe anzusehen. Kommandant Oberleutnant Stelling und einige abenteuerlustige Passagiere bestiegen die offene Gondel, bevor das Luftschiff auf etwa 150 Meter aufstieg und über Hamburg seine Kreise zog. Hamburgs große Tageszeitung, der Hamburger Correspondent, berichtete ausführlich. Das Parseval Luftschiff beförderte vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs auf seinen Rundflügen Passagiere, diente aber auch als riesige Werbeleinwand.
Mit einem Lichtprojektor wurden während der Fahrten Reklamebotschaften auf die Außenhülle geworfen.

Prallluftschiff Parseval und Zeppelin über der Außenalster
Das Prallluftschiff Parseval vor der Luftschiffhalle in Ohlsdorf. Auf die weiße Fläche auf der Unterseite konnten mittels eines Projektors Werbebotschaften geworfen werden. Eine lukrative Einnahmequelle für den Betreiber
Sehr beliebt und deshalb auch eine Möglichkeit, den Betrieb eines Luftschiffes zu finanzieren, waren Luftaufnahmen. Die Postkarten fanden reißenden Absatz. Durch die gemächliche Fahrt eines Luftschiffes, im Vergleich zu einem Flugzeug, verwackelten die Aufnahmen seltener.
Der Zeppelin LZ14 erhielt in Hamburg die Marineluftschiffbezeichnung L1

Natürlich interessierte sich auch das deutsche Militär von Anfang an für die Möglichkeiten von lenkbaren Luftschiffen. Das erste Zeppelin-Luftschiff, das in den neu erbauten Luftschiffhallen auf dem Borsteler Flugfeld fest stationiert wurde, war ein Luftschiff der Kaiserlichen Marine. Am 21. April 1913 überquerte LZ 14, oder L 1 in der Marinebezeichnung, in einiger Höhe die Borsteler Chaussee und landete auf dem neuen Flughafen hinter dem Borsteler Jäger. Die Geschichte der Hamburger Marine-Zeppeline stand allerdings unter keinem guten Stern.

André Schulz / Fortsetzung folgt.

Ballonfahrer und Luftschiffer sprechen vom Fahren. Gefährte, die leichter als Luft sind, wie Ballone, fahren in diesem Sprachgebrauch, während Flugzeuge, die schwerer als Luft sind, fliegen. Dies könnte historischen Ursprung haben. Bereits die ersten Ballonfahrer sprachen vom „Ballonfahren“, da sie das Vokabular der Seefahrt übernahmen.