Zum 100. Geburtstag von Otto Rohse

Nicht zuletzt durch das Engagement der Groß Borsteler „Initiative Marcus und Dahl“ (IMuD) wurde das Schaffen zahlreicher Künstler bekannt gemacht, die in Groß Borstel leben oder gelebt haben. Den verstorbenen Künstlern hat die IMuD in den beiden Bänden zur „Künstlerkolonie Groß Borstel“ mit Beiträgen und Beispielen ihrer Werke gedacht. Einer dieser Groß Borsteler Künstler war der Typograf Otto Rohse. In diesem Jahr, am 2. Juli 2025, war sein 100ster Geburtstag. Otto Rohse lebte 40 Jahre lang in seinem Haus am Klotzenmoor, wo er sich in einem Anbau auch seine Werkstatt eingerichtet hatte. Otto Rohse pflegte die Kunst des Holzschnitts, des Holzstichs und des Kupferstichs, die er bei der bibliophilen Gestaltung von Büchern einsetzte. Mit seinen künstlerisch anspruchsvollen typografischen Arbeiten gilt Otto Rohse als einer der bedeutendsten Buchgestalter des 20. Jahrhunderts. Beispiele seiner Arbeiten wurden in die Sammlungen des Gutenberg-Museums in Mainz, des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, des Klingspor-Museums in Offenbach, des Schiller-Nationalmuseums Marbach oder die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg aufgenommen.

Otto Rohse wurde vor 100 Jahren in Insterburg in Ostpreußen geboren. Die Familie des Vaters stammte von französischen Hugenotten ab. Die protestantische Familie der Mutter war 1731/32 unter den „Salzburger Exulanten“ aus dem Erzstift Salzburg ausgewiesen worden. Otto Rohse wuchs in Gumbinnen auf, wo er schon während der Schulzeit sein künstlerisches Talent zeigte und Zeichnungen von Bäumen, Blättern oder Wurzeln mit viel Liebe zum Detail anfertigte. Nach der Schulzeit folgte er zunächst dem Wunsch seiner Eltern und begann eine Ausbildung bei der Post, entschloss sich aber nach einer Begegnung mit der Malerin Helene Wagenbichler doch zu einem Kunststudium. Trotz des Kriegs bewarb er sich 1943 mit seiner Mappe und einem Empfehlungsschreiben seines Zeichenlehrers an der Kunstakademie Königsberg und wurde angenommen.

Bad nach seinem 18. Geburtstag wurde Otto Rohse jedoch zur Wehrmacht eingezogen und wurde in Italien und Frankreich eingesetzt. Am 31. Oktober 1944 wurde er als einer von vier Überlebenden seiner Einheit in Frankreich von Amerikanern gefangengenommen und in ein Kriegsgefangenenlager nach Schottland gebracht. Dort erkannte der Lagerkommandant Otto Rohses künstlerisches Talent, schenkte ihm Aquarellfarben und beauftragte ihn mit der Gestaltung und Produktion einer Lagerzeitung. Die Druckplatten wurden von den Gefangenen aus Linoleum hergestellt. Zu Ostern 1948 wurde Otto Rohse entlassen.

Da seine ostpreußische Heimat weitgehend zerstört und von den Sowjets besetzt war, ging Otto Rohse dem Rat eines Kameraden aus dem Gefangenenlager folgend nach Hamburg und bewarb sich an der Landeskunstschule, heute Hochschule für bildende Künste, am Lerchenfeld. Hier setzte er sein Kunststudium fort und belegte unter anderem Kurse bei Richard von Sichowsky (1911-1975), dem Begründer der sogenannten Hamburger Schule für Typografie und Buchgestaltung. Später wurde Otto Rohse Sichowskys Assistent.

Während seiner Studienzeit bewohnte Otto Rohse zunächst ein Zimmer in der Nähe der Kunstschule in der Blumenau 86. In späteren Jahren konnte er in dem Haus weitere Zimmer hinzumieten, die er mithilfe von Künstlerkollegen zu einer größeren Wohnung ausbaute. Auch eine kleine Werkstatt konnte er sich hier einrichten.

Druckstock Holz Abzug
Kupferstich Druckplatte
Kupferstich Abzug
Katalog Expo67 Montreal Rückseite

Ab 1951 nahm Otto Rohse Auftragsarbeiten unterschiedlicher Art an und begann auch mit der Illustration von Büchern. 1956 endete seine Assistenzzeit an der Landeskunstschule, und er begann nun ausschließlich als selbstständiger Künstler zu arbeiten. Im gleichen Jahr heiratete er die Keramikerin Marianne Schild. Mit seiner Frau unternahm er einige längere Reisen, unter anderem nach Venedig. Die Häuser der Lagunenstadt inspirierte ihn zu neuen künstlerischen Arbeiten und Rohse erweiterte seine Techniken vom Holzschnitt zum Kupferstich. Auch Marianne Schild war noch bis zur Geburt ihrer Zwillingstöchter Friederike und Elisabeth im Jahr 1964 als Keramikerin künstlerisch aktiv. Dann gab sie ihre künstlerische Tätigkeit zugunsten ihrer Töchter auf.

Otto Rohse an der Landeskunstschule Hamburg

Das Ehepaar Rohse lebte bis 1980 in ihrer Wohnung in der Blumenau. In jenem Jahr kaufte Otto Rohse vom Ingenieur Steffens das Haus Nr. 54 im Klotzenmoor und wurde mit seiner Familie Groß Borsteler. Das Haus ließ er nach seinen und den Bedürfnissen seiner Familie umbauen und die Inneneinrichtung wieder von befreundeten Künstlern gestalten, inklusive einer Werkstatt im Anbau des Hauses.

Otto Rohses Werk umfasste ganz unterschiedliche Formen der Gestaltung von Druckwerken, vor allem Bücher, aber auch Jubiläumskarten, Jahresgaben oder Etiketten. Eine besondere Wertschätzung zeigt sich im Auftrag zur Gestaltung des Umschlages für den Katalog des Pavillons der Bundesrepublik Deutschland bei der Expo 1967 in Montreal. In seinem eigenen Verlag, der Otto Rohse Presse, veröffentlichte er zwischen 1962 und 2002 neben anderen Arbeiten 52 nummerierte Pressendrucke, Mappen- und Kassettenwerke, die Otto Rohse bis ins Detail komponierte und größtenteils selber illustrierte. Die Werke erschienen zum Teil in Kleinstauflagen von wenigen hundert Exemplaren für bibliophile Buchliebhaber und werden heute von Sammlern teuer gehandelt.

Die größte Auflage erzielten aber Otto Rohses kleinste Werke. Zwischen 1955 und 1997 entwarf Otto Rohse 400 Vorlagen für Briefmarken der Deutschen Bundespost, von denen 60 angenommen wurden. Einige Marken seiner Serie „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten“ wurde in Milliardenauflage gedruckt.

In seinem Haus im Klotzenmoor organisierte Otto Rohse regelmäßig Ausstellung mit eigenen Werken oder für befreundete Künstler und bereicherte auch auf diese Weise das künstlerische Leben von Groß Borstel.

Otto Rohse starb am 5. März 2016. Zu seinem 100sten Geburtstag hat das Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig eine digitale Ausstellung realisiert, zu finden in „Deutsche digitale Bibliothek“ mit dem Stichwort „Otto Rohse“.

André Schulz

Mit bestem Dank an Otto Rohses Töchter Elisabeth Scheikowski und Friederike Rohse für ihre Unterstützung und Zurverfügungstellung der Bilder.