Vögel in Groß Borstel
Die Bachstelze
Ein kleiner grau-weiß-schwarz gefärbter Vogel mit rundlicher Körperform und charakteristischem Wippen des langen Schwanzes beim Stehen, Gehen und Laufen: Die Rede ist von der Bachstelze (Motacilla alba), einer Art aus der Familie der Stelzen und Pieper (Motacillidae).
Die Vögel werden bis zu 19 cm lang, wovon etwa 9 cm auf den Schwanz entfallen. Der spitze Schnabel und die Beine sind ebenso schwarz wie der Schwanz, der aber breite weiße Außenkanten aufweist. Die Körperoberseite zeigt sich grau, der Bauch weiß. Schädeldach, Kehle und Brustlatz sind schwarz. Davon deutlich abgegrenzt ist das weiße Gesichtsfeld.
Bachstelzen ähneln in der Körperform und Schwanzlänge den Schafstelzen und Gebirgsstelzen, die allerdings ein gelbes Federkleid aufweisen.
Das Weibchen ähnelt im Brutkleid dem Männchen, jedoch weisen ihre weißen Gesichtspartien keinen so kontrastreichen Absatz von den schwarzen auf wie beim Männchen. Auch sind die Flügel weniger kontrastreich gesäumt als die der Männchen. Im Schlichtkleid fehlen den erwachsenen Vögeln die schwarzen Partien am Kopf.
Im Jugendkleid zeigt sich die Körperoberseite überwiegend grau, der Rücken ist etwas heller. Oberkopf und Nacken weisen eine leicht bräunliche Tönung auf.
Wie alle Stelzen bewegt sich auch die Bachstelze am Boden schreitend oder laufend fort. Dabei sind die Schritte weit ausgreifend und werden von rhythmischen Kopfbewegungen sowie flachem Schwanzwippen begleitet. Nach dem Landen, bei Anhalten aus dem Laufen heraus und beim Aufpicken von Nahrung ist das Schwanzwippen heftiger.
Der Ruf der Bachstelzen klingt nach einem munteren zwei- bis dreisilbigen „Dschiwid“, „Zilipp“ oder „Tsi-di-litt“. Ihr Gesang ist ein unauffälliges, von kleinen Pausen unterbrochenes Zwitschern.
Die Bachstelze tritt in Mitteleuropa als ein häufiger Brutvogel und Kulturfolger auf. Der Bestand in Deutschland zeigt sich stabil und wird auf 475.000 bis 680.000 Brutpaare geschätzt. In Hamburg leben rund 3.000 Brutpaare, die in unterschiedlicher Dichte fast flächendeckend verbreitet sind. Verbreitungslücken gibt es dabei nur in den geschlossenen Wäldern und im Citybereich. Aber insbesondere im Bereich der Außenalster erreichen einzelne Paare selbst das innere Stadtgebiet.
Die weite Verbreitung der Bachstelze resultiert aus ihrer hohen Anpassungsfähigkeit an die Art des Brutplatzes. So nutzt sie in der offenen Landschaft für den Nestbau Viehunterstände, Stallungen oder die Unterseite von Brücken, im städtischen Bereich Mauernischen, Gebälk, Dächer, Fensterbretter, Holzhaufen, Kletterpflanzen oder künstliche Nisthilfen. Dabei bevorzugen Bachstelzen Standorte in der Nähe von Gewässern und unbewachsenen oder niedrig bewachsenen Flächen, auf denen der Vogel seine Nahrung sucht. Diese besteht zum größten Teil aus Spinnen, Larven und Würmern, die am Boden gesammelt werden, sowie aus im Flug erbeuteten Insekten.
Bachstelzen sind überwiegend Zugvögel. Die mitteleuropäischen Individuen überwintern in einem Gebiet, das von Südwesteuropa bis nach Marokko und Algerien reicht.
Der Wegzug beginnt Anfang September, erreicht im Oktober seinen Höhepunkt und endet im Verlauf der ersten Novemberhälfte. Dabei vergesellschaften sie sich – je nach lokalem Nahrungs- und Schlafplatzangebot – häufig zu großen Schwärmen.
Der Heimzug beginnt im Februar. Die meisten Vögel erreichen ihre Brutgebiete zwischen Mitte März und Mitte April.
Bachstelzen führen eine monogame Saisonehe. Die Männchen kehren 10 bis 14 Tage vor den Weibchen aus den Überwinterungsgebieten zurück und gründen ein Revier, das sie durch laute „Dschiwid“-Rufe gegen Eindringlinge verteidigen. Bleibt dies erfolglos, kommt es auch zu Verfolgungsflügen und letztlich zu durchaus langandauernden Kämpfen.
Bei der auf dem Boden stattfindenden Balz läuft das Männchen im Zickzackkurs auf das Weibchen zu und anschließend aufgeplustert mit nickenden Bewegungen um sie herum. Später nimmt das Weibchen eine paarungsbereite Haltung ein, indem es den Kopf senkt, die Flügel hängen lässt und den Schwanz aufstellt. In dieser Phase vollführt das Männchen mit flatternden Flügeln einige Luftsprünge, bis es schließlich zur Kopulation kommt.
Bei der folgenden Suche nach einem geeigneten Nistplatz ergreift das Weibchen die Initiative und fällt auch die endgültige Entscheidung.
Das Nest, das einen guten Ausblick in die Umgebung bieten muss, wird entweder in natürlicher Umgebung meist dicht über dem Boden oder in künstlicher Umgebung in einigen Metern Höhe gebaut.
Im Unterbau besteht es aus grobem Material, das die Vögel mit weichem Material wie Moos, Federn, Pflanzenwolle und Tierhaaren napfförmig auskleiden. Wobei überwiegend das Weibchen den Nestbau leistet – nur gelegentlich unterstützt vom Männchen. Er dauert ungefähr sieben Tage, bei schlechter Witterung bis zu zwei Wochen.
Das Gelege besteht aus fünf bis sechs Eiern, selten mehr. Sie sind oval, glänzen matt und weisen auf hellem Untergrund feine graubraune Flecken auf.
Die Brut dauert mindestens elf Tage. Nachts brütet allein das Weibchen, tagsüber beteiligt sich das Männchen zu etwa einem Viertel der Zeit am Brutgeschäft. Die Nestlingszeit beträgt zwischen 13 und 14 Tagen. Während der ersten Lebenstage hudert das Weibchen die Küken, sodass für die Nahrungsbeschaffung allein das Männchen sorgt. Danach werden die Jungvögel zunächst gleichermaßen von beiden Elternteilen gefüttert – gegen Ende der Nestlingszeit zieht sich jedoch das Männchen immer mehr aus der Nahrungsbeschaffung zurück. Nach dem Ausfliegen werden die Jungen noch bis zu sieben Tage lang von den Elterntieren mit Nahrung versorgt.
Bachstelzen werden gegen Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif. Jedoch entschließen sich nicht alle Weibchen bereits im ersten Lebensjahr zur Brut.
Wie bereits erwähnt, ist der Bestand an Bachstelzen in Deutschland stabil. Dementsprechend gilt der Vogel als nicht gefährdet. Und dies, obwohl die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr recht hoch ist! Denn von 134 beringten Vögeln wurden 65 Prozent bereits im ersten Halbjahr, weitere 15 Prozent im zweiten Halbjahr tot aufgefunden. Dabei ereignen sich die meisten Todesfälle auf dem Zug. Aber auch Greifvögeln, Hauskatzen, Füchsen, Mardern und Kraftfahrzeugen fallen viele Bachstelzen zum Opfer. Insbesondere in nördlichen Breiten verenden viele Bachstelzen im Rahmen von Schlechtwetterperioden. Auswertungen beringter Totfunde zeigten ein Durchschnittsalter von sieben bis 14 Monaten. Das Höchstalter liegt in Freiheit bei bis zu zehn Jahren. In Gefangenschaft wurde ein Vogel zwölf Jahre alt.

Die Bachstelze ist der Nationalvogel Lettlands und wird oft in lettischen Volksliedern erwähnt. Ansonsten ist in der Kultur wenig über diesen Vogel zu finden: Immerhin gibt es auf dem Album „So far“ vom Martin Auer Quintett (Jazz) das Stück „Die Bachstelze“. Und in Sachen „Elektropop“ hat die Gruppe „Bachstelze“ bereits mehrere Alben veröffentlicht.
Text und Fotos:
Michael Rudolph