Vögel in Groß Borstel

Der Waldkauz

Mit über 90 Revieren ist er die häufigste Eulenart im Hamburger Raum: Der Waldkauz (Strix aluco). Er brütet hier in allen großen Wäldern, Grünanlagen, Teilen der Gartenstadt mit altem Baumbestand und auf Friedhöfen. Auch finden sich Bruten in geeigneten Gebäuden sowie künstlichen Nisthilfen, die der Höhlenbrüter neben Baumhöhlen gerne nutzt.

Der Waldkauz ist von gedrungener Gestalt und hat eine Körperlänge bis zu 42 Zentimeter, eine Flügelspannweite zwischen 81 und 96 Zentimeter  und ein Gewicht bis zu 630 Gramm. Der große runde Kopf weist einen beigefarbenen Gesichtsschleier auf, über dem sich zwei weißliche Striche befinden. Der gelbe Schnabel ist stark gekrümmt. Die Körperoberseite fällt dunkler als die Unterseite aus. Dabei zeigt das Gefieder eine der Tarnung dienende rindenartige Farbstruktur mit hellen Tropfenflecken auf Schulter und Flügeln.

Der Vogel gilt als nicht gefährdet. Sein seit Jahrzehnten stabiler Bestand wird in Deutschland auf rund 64.000 Brutpaare geschätzt.

Waldkäuze sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Dafür sind sie nicht nur dank ihrer besonders großen Augen – deren Netzhaut mit sehr vielen Sinneszellen für das Hell-Dunkel-Sehen ausgestattet ist – perfekt gerüstet. Denn darüber hinaus können Waldkäuze eine im Laub raschelnde Maus auch bei völliger Dunkelheit zielgenau greifen. Der Grund: Eintreffender Schall wird in den trichterförmigen Federkränzen um die Augen gebündelt und an die Ohren weitergeleitet. Da die Ohröffnungen leicht asymetrisch angeordnet sind, erreichen Geräusche die Ohren zeitversetzt. Diese Differenz ermöglicht eine Art dreidimensionales Hören und somit das genaue Anfliegen des Beutetieres bei Dunkelheit.

Waldkäuze können eine im Laub raschelnde Maus auch bei völliger Dunkelheit zielgenau greifen.
Waldkäuze sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv.
Im Alter von 29 bis 35 Tagen springen die Jungen aus der Bruthöhle.

Gejagt wird meist zunächst in lautlosem Suchflug an Waldrändern und Wegen entlang sowie auf waldnahen Wiesen und Feldern. Bleibt diese Jagdmethode erfolglos, sucht der Vogel eine Ansitzwarte auf, die ihm einen guten Überblick ermöglicht.

Der Waldkauz  hat ein breites Beutespektrum, das sich zwar nach dem jeweiligen Angebot richtet, aber in erster Linie aus Mäusen besteht. In schlechten Mäusejahren schlägt er auch Beutetiere, die seinem Körpergewicht entsprechen können, wie zum Beispiel Eichhörnchen, Kaninchen und Wanderratten. Vögel gehören ebenfalls zu seinem Nahrungsspektrum. Ihr Anteil beträgt insbesondere in urbanen Lebensräumen bis zu 70 Prozent. In Ausnahmefällen ernähren sich Waldkäuze sogar ausschließlich von Vögeln. Dafür suchen sie nächtliche Massenschlafplätze auf, um Kleinvögel bis zur Größe von Eichelhähern, Tauben und Elstern von den Ästen zu greifen oder mit ihren langen Beinen aus Bruthöhlen zu ziehen. Das Verzehren der Beute fällt unterschiedlich aus: Hat ein Waldkauz zum Beispiel eine Maus gefangen, knetet er sie zunächst mit seinen Fängen durch und verschlingt sie dann mit dem Kopf voran in einem Stück. Hingegen werden größere Beutetiere ebenso wie das Futter für die Nestlinge vorher zerkleinert. Unverdauliche Nahrungsreste wie Fell und Knochen werden als „Gewölle“ wieder ausgewürgt. 

Die Geschlechtsreife erreichen Waldkäuze im ersten Lebensjahr. Sie verpaaren sich auf Lebenszeit und verbringen nur nach der Jungenaufzucht für einige Monate die Tage an getrennten Schlafplätzen.

Die erste Balzphase, deren Beginn an den zunehmenden Rufen zu erkennen ist und die auch als Herbst- oder Scheinbalz bezeichnet wird, findet im Oktober statt. Im Dezember lassen die Rufe nach, nehmen ab Januar wieder an Intensität zu und erreichen im März ihren zweiten Höhepunkt. Dann sind allabendlich ihre abwechselnden Kontaktrufe zu hören, die erst enden, wenn die Partner einen gemeinsamen Treffpunkt gefunden haben.

Bei der folgenden Nistplatzwahl schlägt das Männchen Nisthöhlen vor – die endgültige Entscheidung trifft jedoch das Weibchen.

Das Gelege besteht aus zwei bis vier spindelförmigen, direkt auf den Bruthöhlenboden gelegten Eiern. Bereits jetzt jagt das Weibchen nicht mehr, sondern wird vom Männchen mit Futter versorgt. Waldkäuze ziehen nur eine Jahresbrut groß – lediglich bei Brutverlusten kommt es zu Nachgelegen. Das Weibchen brütet allein 28 bis 30 Tage lang. Während der ersten neun Lebenstage sind die Jungen noch völlig blind. Im Alter von 29 bis 35 Tagen springen sie aus der Bruthöhle, wobei viele auf den Erdboden fallen. Sie laufen dann schnell zu einem Busch oder borkigen Baum, klettern daran hoch und werden als „Ästlinge“ weiterhin von den Eltern versorgt. Nach etwa 100 Lebenstagen sind sie selbständig.

Die sogenannten Ästlinge werden etwa 100 Tage von ihren Eltern versorgt und energisch gegen Störenfriede verteidigt.

Die Altvögel verteidigen Nisthöhle und Ästlinge sehr energisch gegen Störenfriede und schrecken dabei auch nicht vor Menschen zurück, die ihren Jungen zu nahe kommen. Diese Angriffe, bei denen sie von hinten anfliegend den Eindringling mit Flügeln und Krallen attackieren, können zu blutenden Fleischwunden führen und enden erst, wenn der Eindringling sich aus dem engeren Revierbereich wieder entfernt hat. Gegenüber Artgenossen verteidigen Waldkäuze ihr zwischen 10 und 75 Hektar großes Revier das ganze Jahr über.

Zu den Beutegreifern, die auch Waldkäuze schlagen, zählen andere Eulen wie Uhu und Habichtskauz sowie Greifvögel wie Habicht und Mäusebussard.     

Auch Menschen, die den Waldkauz wegen seines dämmerungs- und nachtaktiven Lebens noch nie zu Gesicht bekommen haben, ist  ihr Ruf „hu hu huuu huu hu“  bekannt – allein schon, weil dieser in Filmen häufig zur Untermalung schauriger Nachtszenen dient. Das Rufen des Weibchens ist hingegen ein „ku-wiet ku-wiet“. Weil dieser Ruf wie „komm mit, komm mit“ (ins Jenseits) klingt, brachte er dem Waldkauz im Mittelalter den Ruf des „Totenvogels“ ein. Er wurde verfolgt, getötet und zur Abschreckung an die Haustür genagelt. Tatsächlich hielt sich der Vogel nur deshalb häufig in der Nähe von Sterbenden auf, weil das während der Nachtwachen durchgehend brennende Licht Nachtfalter und andere Beutetiere anlockte.

Den prägnanten Ruf des Waldkauzes hatte schon William Shakespeare in seiner Komödie „Verlorene Liebesmüh“ verwendet: „Then nightly sings the staring owl, Tu-whit; Tu-who, a merry note. While greasy Joan doth keel the pot.“ So schlugen sich die Kontaktrufe eines Waldkauzpärchens auch in der Hochliteratur nieder. Dabei wird das „Kuwitt“ des Weibchens vom Männchen mit einem entschlossenen „Hu Huuu“ beantwortet – womit zwischen beiden wohl alle Unklarheiten beseitigt sein sollten…   

Text+Fotos: Michael Rudolph