STANDPUNKT FLIEGEN

VON MANFRED BRAASCH

Erst vor kurzem stolperte ich über ein Gewinnspiel von Edeka und Kitchen Aid. Renommierter Laden, renommierte Firma. Der Preis: ein Wochenende in London – inklusive Flug. Ein Flug als 1. Preis, zum Shoppen und Ausspannen für 48 Stunden – geht´s noch? Da demonstrieren jedes Wochenende weltweit junge Menschen für mehr Klimaschutz, die gesammelte Klimaforschung sagt, wir müssen jetzt handeln – und unsere satte Gesellschaft macht so weiter wie bisher.

Und mal ehrlich. In den letzten Wochen konnten wir folgendes beobachten: Es ist nicht die Angst oder zumindest die Sorge um den Klimawandel, die viele umtreibt, sondern eher die Frage, ob ver.di nun den Hamburger Flughafen zu Ostern bestreikt oder nicht. Man freut sich auf: „Wir sind dann mal weg“. Solche Werbesprüche der Fluggesellschaften und Reiseanbietern brennen sich ein, leicht abrufbare Rechtfertigung für die umweltschädlichen Sehnsüchte unserer Zeit. Hat schon mal jemand ein Werbeverbot für Fluggesellschaften gefordert? Dann ist dies ein erster Aufschlag.

Es geht ans Eingemachte. Der Klimawandel wirft nicht nur seine Schatten voraus, er verdunkelt bereits zunehmend unser Leben. Extremsommer 2018, Ernteeinbußen in Milliardenhöhe, leerlaufende Flüsse ohne Schifffahrt sind noch in „guter“ Erinnerung. Mit trauriger Regelmäßigkeit ist in den Nachrichten aus aller Welt nachzulesen, dass Gletscher schneller schmelzen, Wirbelstürme weiter zunehmen und die Meere stärker versauern.

Das Fliegen trägt von allen Verkehrsmitteln – gemessen an seiner Transportleistung – am stärksten zu genau diesem Klimawandel bei. Auf jedem Flug werden Unmengen von Kerosin verbrannt, auch weil es nicht besteuert wird und damit so schön billig ist. Verbrannt dort, wo das entstehende CO2 am schädlichsten ist und sich Stickoxide zu Ozon mit Treibhauswirkung umwandeln. Hoch oben in der Stratosphäre mit verheerender Wirkung. Aber was soll´s, für 19,90 Euro nach Lissabon – warum nicht.

Klimakiller Fliegen. Ja, so kann man es zusammenfassen. Die Vielfliegerei ist schick geworden, nicht nur bei KitchenAid. Auch deswegen, weil die Zeit so knapp scheint. Mal ehrlich, wer setzt sich 12 Stunden in die Bahn, wenn er oder sie eine Woche Urlaub in Venedig machen will? Niedere Beweggründe wie die Umwelt schonen, die Seele auf der Strecke mitnehmen oder die fantastische Aussicht in den Alpen genießen, verbieten sich offenbar bei Reiseplanungen in angeblich modernen Zeiten.

Aber Fliegen befeuert nicht nur den Klimawandel, dessen unmittelbare Konsequenz in Form eines steigenden Meeresspiegels oder extrem aufgeheizter Städte wir in Hamburg schon bald direkt zu spüren bekommen. Fliegen ist mehr, schauen wir zum Beispiel auf den Fluglärm. Gerade in Hamburg können wir davon ein Lied singen. Ein lautes obendrein. Der Lärm nimmt zu, die Anzahl der Verspätungen nimmt zu, und auch die Unfähigkeit der Politiker nimmt mit jedem neuen Punkteplan zu. In der Debatte wird dann häufig die Karte technischer Fortschritt gezogen. Moderne Flugzeuge seien doch schon viel leiser. Tatsächlich bewegt sich der Anteil weniger lauter Flugzeuge am Airport Hamburg im Promillebereich. Die Nutzung lauterer Flugzeuge der Lärmklassen drei und vier nimmt sogar wieder zu. Das kann kein Luftverkehrsgipfel im Rathaus oder noch ein Punkteplan wegmoderieren: Fliegen macht Lärm, und Lärm macht krank.

Oder schauen wir auf die Produktion von Flugzeugen. Ein unterschätztes Thema. Hier kommt ein gigantischer Materialeinsatz zusammen, damit wir abheben können. Seltene Erden, jede Menge Kunststoffe und energieintensive Metalle machen den ökologischen Impact im Flugzeugbau zu einem Alptraum. In den USA und mittlerweile weltweit gibt es riesige Friedhöfe für Flugzeuge, manche mit einer Fläche so groß wie 1.400 Fußballfelder und tausenden von Flugzeug-skeletten. Skurrile Kulisse unserer mobilitätsgetriebenen Überflussgesellschaft.

Verzichten Sie aufs Fliegen, wo immer es geht. Die schnelle Flucht über den Wolken bietet keine grenzenlose Freiheit, sondern ruiniert unseren Planeten. Es müssen keine drei oder mehr Flugreisen und Kurztrips pro Jahr sein. Es gibt auch fantastische Ziele vor der Haustür, bequem mit der Bahn zu erreichen. Und wenn es wirklich nicht anders geht, denken Sie wenigstens an einen Klimaausgleich bei atmosfair oder einem anderen Anbieter. Das ist nicht nur gut für das eigene Gewissen.

BU:
Manfred Braasch ist Geschäftsführer des BUND, Bund für Umwelt und Naturschutz, Landesverband Hamburg

BLAUER KASTEN

GUT ZU WISSEN:
Lieblingsziele der Norddeutschen, die ab Hamburg fliegen. Berechnung des CO2-Ausstoßes für den Hin- und Rückflug einer Person in der Economy-Class: