ÖPNV-FLICKWERK GROSS BORSTEL

Kommentar von Uwe Schröder

Einige ältere Semester erinnern sich an die Fernsehsendung „Wünsch Dir was“ mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach. Schade, dass Groß Borstel damals nicht eingeladen war. Wir hätten längst einen U-Bahn-Anschluss. Nein, was sage ich, zwei oder drei Stationen hätten wir. Köppenstraße, Tarpenbeker Ufer, und solange es ihn noch gibt, auch noch eine Station am Flughafen.

Jetzt müssen wir uns begnügen. Aber es geht weiter, verkünden HVV und Senat. Ab 13. Dezember fährt die Stadtbuslinie 114 von der Lufthansa-Basis nicht mehr nur bis zur U-Bahn Klosterstern, sondern alle 20 Minuten auch bis zum Bahnhof Dammtor. Das hat die Verkehrsbehörde auf Antrag der Hamburger Hochbahn beschlossen. Sie ersetzt damit bis auf Weiteres die Schnellbus-Linie 34. Außerdem wird der 10-Minuten-Takt des 114er Busses tagsüber bis 21 Uhr verlängert.

Michael Werner-Boelz, mit grünem Parteibuch ausgestatteter Bezirksamtsleiter, wünscht sich noch etwas: „Ziel muss es sein, dass auch das Neubaugebiet Tarpenbeker Ufer mit einem Quartierbus verkehrlich erschlossen wird.“

„Verkehrlich erschlossen“, tolle Idee. Das Ziel allerdings hätte längst erreicht werden können, sogar müssen. Und zwar als der Bebauungsplan nach der sogenannten Bürgerbeteiligung gegen den eindeutigen Willen der Groß Borsteler beschlossen wurde. Ohne große Diskussion wurden 625 (!) Einwendungen besorgter Groß Borsteler Anwohner quasi in den Papierkorb entsorgt. Sie hatten auf die unzureichende Verkehrsanbindung hingewiesen. In einer Art Wohnungsbaurausch plante man nur einen kleinen Wendehammer – für HVV-Busse viel zu eng. Warum? So konnten noch ein paar mehr Wohnungen gebaut werden. Infrastruktur für Busse? Nicht vorgesehen. Nicht einmal eine Stadtradstation gibt es dort.

Folge 1: Die Nachbarn vom Tarpenbeker Ufer sind aufs Auto angewiesen. Die Kinder wollen auf dem Weg zu den weiterführenden Schulen im Winter nicht mit dem Fahrrad durch das dunkle Kleingartengebiet oder über den gefährlichen Tarpenbek-Radschnellweg, zu Fuß schon gar nicht. Also müssen Mutti oder Vati ein Auto kaufen.

Folge 2: Die Besucherparkplätze in der Gert-Marcus-Straße sind komplett zugeparkt. Die Tiefgaragenplätze sind ausgebucht.

Folge 3: Geesmoor, Lokstedter Damm, Brödermannsweg und Brückwiesenstraße werden mit Autos vollgeparkt. Proppenvoll. Alles, was geht. Egal ob legal oder nicht legal.

Wünsch Dir was. Okay, ich wünsch mir was. Ich wünsche mir einen Quartiersbus, und zwar jetzt. Nicht erst später, nicht in Zukunft. Jetzt, damit die Kinder im Winter gut und schnell zur Schule kommen und die Erwachsenen zur Arbeit. Ich wünsche mir eine Buslinie 114, die mich nicht nur hin, sondern auch zurückbringt im 10-Minuten-Takt, wenn ich abends im Kino war oder im Theater. Ist doch gar nicht so kompliziert.

Und ich wünsche mir eine Politik, die beim nächsten Bauprojekt besser zuhört. Und nicht nach Jahren erst auf die glorreiche Idee kommt, einen Quartiersbus zu bestellen. Nein, der hätte längst da sein müssen. Als Notlösung.

Und nun kommt auch noch der Schnellbus X35. Für alle Leute, die mal eben von Rahlstedt über Groß Borstel zum Dammtor wollen. Riesige Gelenkbusse fahren über die schmale Borsteler Chaussee. Schnell soll es gehen. So schnell wie möglich. Ziel ist, es neben der Verbindung von und nach Rahlstedt, die kaum einer braucht, Europas meistbefahrene Busstrecke zu entlasten: die Line 5, das Denkmal für verfehlte Verkehrspolitik.

Na hurra, die Borsteler Chaussee wird Kollaustraße. Vielen lieben Dank, verkehrte Verkehrspolitik. Darauf können wir verzichten. Die Linie X35 wird unsere RISE-Träume von einer verkehrsberuhigten Borsteler Chaussee mit mehr Aufenthaltsqualität in einen Alptraum metropolösen Verkehrsgeschehens verwandeln.

Übrigens Alptraum. Kürzlich träumte die grüne Wissenschaftssenatorin Fegebank gar von Elektro-Lufttaxis. Damit wollte sie auch mal eine Idee für den Wissenschaftsstandort Hamburg einbringen, Airbus eine Ersatzbeschäftigung zuschustern und grün als zukunftsfähig und wirtschaftskompetent ausweisen. Dass solche Riesenbrummer die Stadt vollends verlärmen und nebenbei die letzten Singvögel schreddern, ist aus dem grünen Fokus geraten. Und die Ingenieure von Airbus hatten die Pläne für Lufttaxis längst selbst auf Eis gelegt. Zu schwere Batterien, zu lange Ladezeiten.

Nein, Groß Borstel hatte keiner gefragt, ob wir zu Wünsch Dir was eingeladen werden wollen. Dafür wird Groß Borstel weiter bitter erleben müssen, was das Gegenteil von Wünsch Dir was ist: eine solche Politik.