MITTENMANG

Vor Hundert Jahren: Kapp-Putsch und Kommunalverein

Der vor hundert Jahren durch einen Generalstreik vereitelte Kapp-Lüttwitz-Putsch hat deutliche Spuren in Groß Borstel und in dessen Kommunalverein hinterlassen.

Am 13. März 1920 putschten der kommandierende General des Berliner Gruppenkommandos Freiherr Walther von Lüttwitz, der ostpreußische Generallandschaftsdirektor Dr. Wolfgang Kapp und General Erich Ludendorff mit Reichswehrtruppen, Freikorps und Bürgerwehr gegen die Regierung der neuen Republik. Der seit 1919 geplante Staatsstreich, in den die Deutsche und insbesondere die Deutschnationale Volkspartei eingebunden waren, erfolgte vorzeitig, um der Auflösung der Marinebrigade Ehrhardt zuvorzukommen. Weil die Führung der Reichswehr nicht gegen die Putschisten kämpfen wollte, floh die Reichsregierung aus SPD, Zentrum und DDP unter Gustav Bauer vor den Truppen, die sie zu ihrem Schutz um sich versammelt hatte, zunächst nach Dresden und dann nach Stuttgart.

Regierung, Arbeiterparteien und Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf, der sich zum größten in der deutschen Geschichte entwickelte: Industrie und Verkehr wurden lahmgelegt, die Beamtenschaft streikte und loyale Truppen und Mannschaften entwaffneten die putschenden Einheiten, bis Kapp und seine Mitputschisten nach fünf Tagen aufgaben.

Die Frage, ob man zu den Putschisten halten solle, wie es DNVP und DVP wollten, ob man abwarten oder die Republik verteidigen sollte, spaltete so auch in Groß Borstel den Kommunalverein, die Bürgervereinigungen und die als paramilitärische Organisation gegründete Einwohnerwehr.

Die Einheit der sich unpolitisch gebenden Bürgervereinigungen, „fiel in Trümmer“, als „den Rechtsparteien angehörende Mitglieder [der Einwohnerwehr] von ihren eigenen Kameraden schmählich entwaffnet wurden und sich in Kompanien Leute zusammenfanden, die ihre Befehle von anderer Stelle als von ihrem Kompanieführer erhielten.“ Wie der Borsteler Bote vom Dezember 1921 berichtete, habe man sich nach dem Putsch zwar wieder vertragen, aber „von dieser Blutvergiftung hat sich die Einwohnerwehr nie wieder ganz erholen können.“

In Hamburg war der Senat vom Kapp-Putsch überrascht worden, SPD und Deutsche Demokratische Partei riefen aber zur Verteidigung der Republik auf und konnten die auf das Rathaus marschierenden Bahrenfelder Freiwilligen abwehren. Dem Garnisonsältesten Oberst Freiherr von Wangenheim misslang die Ausschaltung des Senats, weil er keine zuverlässigen Truppen fand und von auswärts zu Hilfe eilende Putschisten am Generalstreik scheiterten. Lettow-Vorbeck blieb mit seinen Truppen in Schwerin hängen und bewaffnete Einwohner hatten am 15. März in Harburg den Versuch der Baltikumtruppen „Eiserne Schar“ unter Kampfflieger Rudolf Berthold vereitelt, von Stade nach Hamburg vorzudringen.

Polizeisenator Hense forderte daraufhin die Einwohnerwehr auf, sich nicht unter das Kommando von Wangenheim, sondern des Major Danner und des früheren Kommandanten von Groß-Hamburg Lamp’l zu stellen.
Offenbar folgte die Mehrheit der Mitglieder der Einwohnerwehr in Groß Borstel dieser Aufforderung – vielleicht, weil sie durch den Putsch die wirtschaftliche Erholung und erreichte Stabilität gefährdet sahen. So entwaffneten sie die Anhänger der Rechtsparteien, die den Putsch unterstützten und gaben die Waffen den Verteidigern der Republik.

Nach dem Scheitern des Kapp-Putsches wollten weder DVP noch DNVP damit etwas zu tun gehabt haben. Sie wählten dann in Groß Borstel ein anderes Feld für ihre republikfeindlichen Aktivitäten – sie forderten den Anschluss an die aus der Niederschlagung der Münchner Räterepublik hervorgegangenen „Organisation Escherich“ und machten die Errichtung eines Kriegerdenkmals auf dem Licentiatenberg zum Mittel ihrer Mobilisierung gegen die Republik, den Versailler Vertrag und die Arbeiterparteien.

Die Ergebnisse von Groß Borstel in den Wahlen von 1919 und 1921 zeigen, dass nach dem Putsch Wähler von der linksliberalen DDP zur Deutschen und Deutschnationalen Volkspartei abwanderten, also hin zu Parteien, die den Kapp-Putsch unterstützt und sich mit ihrer nationalistischen Linie auch im Bürgerverein durchgesetzt hatten.

Während der Auseinandersetzung um die Denkmal-Trilogie in Groß Borstel – Grabhügel, Kriegerdenkmal, Nachdenkmal hat Hakim Raffat vor allem anhand des Archivs des Kommunalvereins die politische Ausrichtung des Kommunalvereins, der Einwohnerwehr und der Militärischen Kameradschaft von 1887 nachvollziehen können. Auf dieser Grundlage lohnt es sich sicher, die Entwicklung in Groß Borstel während des Kapp-Putsches in einer Veranstaltung darzustellen.
Dr. Jürgen Bönig

GUT ZU WISSEN
Kapp-Putsch | Generalstreik

Der Kapp-Putsch vom 13. März 1920 war ein nach 100 Stunden gescheiterter, konterrevolutionärer Putschversuch gegen die nach der Novemberrevolution geschaffene Weimarer Republik. Anführer war General Walther von Lüttwitz mit Unterstützung von General Erich Ludendorff, während der Verwaltungsbeamte Wolfgang Kapp mit seiner „Nationalen Vereinigung“ nur eine Nebenrolle spielte.

Der Putschversuch des rechts-konservativen Lagers brachte das republikanische Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges und zwang die sozialdemokratischen Mitglieder der Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Die meisten Putschisten waren aktive Reichswehrangehörige oder ehemalige Angehörige der alten Armee und Marine, insbesondere der Marinebrigade Ehrhardt, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in reaktionären Freikorps organisierten, sowie Mitglieder der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und Deutschen Volkspartei (DVP). Beide Parteien gingen Anfang der dreißiger Jahre in der NSDAP auf.

Großen Anteil am Scheitern des Putsches hatte, neben der Verweigerung der Regierungsbürokratie und der Uneinigkeit der Militärs über die eigentliche Zielsetzung des Putsches, der folgende Generalstreik, – der größte in der deutschen Geschichte.

Ihre Entschlossenheit bei der Verteidigung und beim Generalstreik brachten den Putsch zu einem frühen Ende.

LITERATUR:

Hakim Raffat:
Denkmal-Trilogie am Licentiatenberg in Hamburg-Groß Borstel, Grabhügel-Kriegerdenkmal-Nachdenkmal Hamburg 2008, S.28: Groß-Borsteler Bote Nr. 7, Dezember 1921, S.25: Wahlergebnisse 1919-1921.

Hans-Dieter Loose:
Abwehr und Resonanz des Kapp-Putsches in Hamburg, in: ZVHG 56 (1970), S. 65-96.