Honig in der Brückwiesenstraße

Die Sonne scheint, und – oh, wie ist der Flughafen wieder umweltbewusst – der Flugverkehr ruht. Ein leises Summen ist das einzige Geräusch, das im Garten vernehmbar ist. Die Blütenpracht hat von Bienen Besuch bekommen. Ist auch dringend nötig. Ein Überangebot an Blüten trifft besonders im Frühjahr auf ein Unterangebot an Bienen. Insofern: Es ist viel zu tun, packen wir es an. Wir?

„With a Little Help from My Friends“, dachten sich nicht nur John Lennon, sondern auch die beiden Bienen-begeisterten Biologen Henrike Franske (26) und Leon Renziehausen (27). Sie interessierten sich für die Imkerei und legten sich nach umfangreichem Einlesen ins Thema zunächst zwei Bienenkörbe zu.

Umfangreiches Einlesen ist dabei vielleicht etwas untertrieben. Henrike Franske ist sogar Bienenspezialistin. Sie hat als Biologin ihre Bachelorarbeit über Bienen geschrieben. Insofern vermutlich ausreichend wissensbestückt, um sich an das Thema Bienen auch praktisch heranzutrauen.

Das Thema Imkerei ist – zumindest in der Stadt – ein wenig aus dem Fokus geraten. Obwohl die Zahl der Imker deutlich zunimmt. Seit dreißig Jahren hat sich die Zahl der gemeldeten Imker in Hamburg mehr als verdoppelt, und zwar von 448 im Jahr 1991 auf 1047 im Jahr 2021. Die Imkerei in Deutschland zählt etwa 152.000 Imker mit etwa 1.018.000 Bienenvölkern (Stand: 2022). Etwas mehr Statistik: Ein Bienenvolk hat circa 50.000 „Bienenbürger“. Bei 1.018.000 Bienenvölkern mit jeweils 50.000 Bienenbürgern sind das ungefähr 50 Milliarden Bienen in Deutschland. Pro Einwohner mehr als 600 Bienen!

Hamburg soll nach einer im Fachjournal „Proceedings of the Royal Society B“ 2016 veröffentlichten Studie Honig-mäßig sogar besonders ertragreich sein. Pro Bienenvolk rechnet man in Hamburg mit bis zu 40 Kilogramm Jahresertrag, im Bundesschnitt seien es nur 20 – 30 Kilo. Das mag daran liegen, dass in den Stadtgärten und in den zahlreichen Kleingärten viel weniger Pestizide verspritzt werden als auf dem Land. Und dass das Angebot der Stadtblüten für die Bienen deutlich vielfältiger ist als bei den Monokulturen auf dem Land. Da kann die pestizid-geplagte Pinneberger Baumschulbiene neidisch werden auf die Hamburger Stadtgartenbiene.

Viel wird diskutiert über die Konkurrenz von Wildbienen und Honigbienen. Honigbienen leben in Bienenvölkern von, wie gesagt, etwa 50.000 Bienen. Sie suchen ihre Blüten im Umkreis von bis zu sieben Kilometern. Wildbienen hingegen, zu denen auch die Hummel gehört, sammeln ortstreuer im kleineren Umkreis von bis zu 500 Metern. Sie leben überwiegend als Einsiedler. 50 % der Wildbienenarten nisten unter der Erde. Einige nutzen Bruthöhlen, die andere Insektenarten geschaffen haben, andere bauen sich ihre Höhlen selbst, indem sie Niströhren in die Erde, vorzugsweise in Sand- und Lehmböden graben.

Nistplätze für Wildbienen finden sich in morschem Holz, in Pflanzenstängeln oder auch in leeren Schneckenhäusern. Wildbienen leben in einer Symbiose mit den Pflanzen, die sie bestäuben und von denen sie ihren Nektar sammeln, den sie übrigens direkt für den Eigenbedarf verbrauchen. Das unterscheidet sie von der Honigbiene, die Nektar sammelt, um ihn in ihrem Honigmagen zu Honig verarbeiten. Der landet schließlich im Bienenstock. Sehr schön zu beobachten in der Brückwiesenstraße.

Dort betreiben Henrike Franske und Leon Renziehausen mittlerweile vier Bienenstöcke. „Natürlich“, sagen sie, „ist das am Anfang reine Liebhaberei. Man muss sich ins Thema einarbeiten. Zuerst haben wir einen Schnupperkurs bei den Stadtbienen belegt.“ (stadtbienen.org) Sodann haben die beiden sich besorgt, was man für die Imkerei braucht. Einiges konnten sie sich gebraucht erwerben. Insgesamt schätzen sie die Kosten für das Startpaket auf mindestens 600 bis 700 Euro.

Neben dem ersten Bienenvolk sollte man besorgen: Imkerjacke und Handschuhe, Hut mit Schutzschleier, ein sogenannter Smoker mit Rauchstoff – er beruhigt die Bienen und schafft eine nette Arbeitsatmosphäre. Nicht zu vergessen: der Bienenbesen. Mit ihm gelingt es, die Bienen sanft vom Stock zu entfernen, ohne sie zu verletzen. Und für die Ernte eine Honigschleuder. Schließlich muss rauskommen, was im Bienenstock verborgen ist: der Honig.

Viele denken, Bienen seien gefährlich. Das Bienenvolk könne ausschwärmen, die Bienen könnten Menschen oder andere Tiere angreifen. Der Imkerverein Frankenstein (Gibt es tatsächlich!) vergleicht Todesursachen in Deutschland: Tod durch Alkoholbedingte Leberschäden 10.007 Fälle, Tod durch Bienenstich 18 Fälle. Natürlich gibt es mehr Verkehrstode als Opfer von Bienenstichen. Letztlich sind Bienen sehr friedlich. Zu Stichen kommt es nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Deutlich aggressiver als Bienen sind Wespen, deren Stich zudem schmerzhafter ist.

Es klingt absurd: Elefanten haben Angst vor Bienen. Sie reagieren panisch und ergreifen die Flucht, wenn sie das Summen eines Bienenschwarms hören. Das gilt offenbar nicht für die Bienen der Brückwiesenstraße. Denen kamen zwar keine Elefanten zu nahe, aber das Makroobjektiv des Boten. Es konnte sich bis auf wenige Zentimeter nähern, ohne dass das Summen irgendwie wütend klang. Letztlich konnte der Interviewtermin mit Henrike Franske und Leon Renziehausen, wir saßen direkt bei den Bienenstöcken, komplett ohne Bienenstich absolviert werden.

Honig kaufen, kann man bei den beiden engagierten Hobbyimkern übrigens auch. Einfach anmailen, Termin abmachen: nordisches.wabenwerk@gmail.com. Oder unter Instagram @nordisches.wabenwerk.

Text, Fotos: Uwe Schröder