Einmal fliegen gleich ein Jahr Autofahren?

Wie Hamburgs Flugverkehr das Klima belastet

von Gebhard Kraft, 1. Vorsitzender der Notgemeinschaft der Flughafenanlieger

Tornados über Bramfeld, Sintflut in Simbach, Irma, der größte Hurrikan aller Zeiten mit einem Auge so groß wie Florida: die Folgen des Klimawandels werden spürbar. Wichtigstes Treibhausgas ist Kohlenstoffdioxid, das Gas, das wir mit jeder Verbrennung freisetzen. Seine Menge in der Atmosphäre steigt zunehmend, in diesem Frühjahr wurde ein neuer Rekord mit 410 ppm (parts per million) erreicht. Zum Vergleich: Zu Kaisers Zeiten lag er bei 290 ppm. Und als die Eiszeitgletscher mehr als einen Kilometer hoch Hamburg bedeckten, waren es 200 ppm. Im Klartext: Von Wilhelm II bis heute haben wir mehr Klimaänderungen angerichtet als der Unterschied zwischen Eiszeit und Kaisers Zeiten. Noch merken wir nur einen Bruchteil davon, da das Ökosystem Erde nicht alle Wirkungen sofort spüren lässt; wir leben sozusagen mit einem Überziehungskredit mit dynamischen Zinsen. Die Rechnung kommt später, aber dafür um so heftiger. Verursacher sind wir alle, durch Hausheizung, Kraftwerke, Auto, Schiff und Flugzeug. Doch halt: Ist Fliegen überhaupt relevant? Laut Lufthansa macht der Flugverkehr nur 2,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes aus. Sind Flieger also Peanuts? Nicht ganz, denn nicht nur die Menge ist entscheidend für die Wirkung, sondern auch der Ort. Eine Analogie mag dies verdeutlichen: Ein Küchenmesser in der Schublade ist harmlos, dasselbe Küchenmesser in ein Herz gestochen ist tödlich.

Und so ist es auch beim Fliegen. Moderne Flugzeuge setzen ihr CO2 in 10 km Höhe frei. Dort sind keine Wälder oder Flachmeere, die das Gas aufnehmen und durch Photosynthese umwandeln könnten. Von dort oben benötigt das CO2 rund fünf Jahre zum nächsten Baum. Beim Auto oder einer Diesellok (Emissionsort unter 10 m Höhe) sind es dagegen weniger als drei Tage. Flugzeug-CO2 bleibt also mehr als 500 mal so lang als Treibhausgas in der Luft. Dieselbe Menge Flugzeug-CO2 richtet so über 500 mal so viel Klimaschaden an wie die aus dem Auto. So kommt es, dass der Weltluftverkehr zwar nur 2,5% des CO2 emittiert, aber weit über 80 Prozent des Klimaschadens verursacht. Statt einem Flug von 500 km von Hamburg nach Frankfurt müssen sie also 250000 km Auto (Vergleichsbasis moderner Mittelklasse-PKW) fahren, um annähernd den gleichen Klimaschaden zu erzielen. Das schaffen nur wenige in einem Jahr.

ber wie ist das nun mit dem Flughafen Hamburg und seinem Luftverkehr? Letztes Jahr (2016) waren es 16 Millionen Flugreisende, die insgesamt einen CO2-Ausstoß von rund 2,8 Millionen (nur Direktflüge, ohne induzierte und Umsteigeverkehre) Tonnen verursachten. Hamburgs übriger CO2-Ausstoß liegt vergleichsweise bei 17 Millionen Tonnen. Und dabei ist noch nicht der Faktor 500 eingerechnet, um den das Flugzeug-CO2 klimaschädlicher ist. Dadurch liegt der Klimaschaden durch den Hamburger Flugverkehr bei rund 1400 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Diese Flugzeuge verursachen damit über 90 Prozent des von Hamburg insgesamt angerichteten Klimaschadens. Angesichts dieser Zahlen nimmt es schon wunder, dass der Hamburg Masterplan Klimaschutz (Bürgerschafts-Drucksache 20/8493) nur einen Satz zum Flugverkehr enthält: „Der Luftverkehr wird auf der Grundlage von erzielten Fortschritten auf internationaler Ebene klimafreundlich ausgestaltet sein.“ Im Klartext: Selbst handeln will der Senat keinesfalls, international drückt sich der Luftverkehr bisher sogar um die Emissionszertifikate, die fast jeder Industriebetrieb haben muss.

Doch halt – der Senat handelt. Als Flughafeneigentümer und Genehmigungsbehörde hat er ein Rabattprogramm aufgelegt, das mehr Flüge und damit mehr Klimaschaden anlocken soll. Und Flughafenchef Eggenschwiler will in Hamburg 20 Millionen Passagiere abwickeln, was den Klimaschaden um weitere 20 Prozent erhöht. Nur eines haben beide dabei vergessen: über die Klimafolgen überhaupt nachzudenken. Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt.

Die Tornados über Bramfeld und der Hurrikan Irma sind ein Menetekel. Jeder sollte darüber nachdenken, ob er oder sie wirklich klimaschädlich fliegen muss. Unsere Kinder und Enkel werden es uns danken. Ich persönlich bin mit dem Ökostrom-ICE oder IC meistens schneller und pünktlicher, als wenn ich fliegen würde. Und auf meine Koffer muss ich auch nicht vier Stunden warten …

Aber wenn man doch mal fliegen muss? Dann sollte man auf den Flughafen Hamburg verzichten. Er liegt so ungünstig, dass mehr als zwei Drittel aller Landungen und Starts einen Umweg von über 40-70 Kilometern über den Osten und Norden Hamburgs, Stormarn oder den Kreis Segeberg machen, allein das macht 50000 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus – den Jahresausstoß von 5000 Hamburger Bürgern (ohne Fliegen). Und kompensieren Sie den Klimaschaden wenigstens durch Ablasszahlungen an Klimafonds. Deren Berechnungen enthalten übrigens meistens nicht den Höhenfaktor; wenn Sie für einen Flug von Europa in die USA 8000 Euro als Klimaabgabe leisten, liegen sie aber halbwegs auf der sicheren Seite.

Über den Autor: Gebhard Kraft, Jahrgang 1955, ist Sohn des langjährigen Groß Borsteler Schulleiters Dr. Gebhard Kraft, hat Chemie und Biologie studiert und sich seit mehr als 40 Jahren mit dem Treibhauseffekt und Klimawandel beschäftigt. Er ist Mitglied der Kommission nach §32 b Luftverkehrsgesetz und war u.a. für das Umweltbundesamt und die Hamburgische Bürgerschaft beruflich tätig.