Editorial

Liebe Borstelerinnen, liebe Borsteler,

am Dienstag, 5. März 2024 kam die Schreckensmeldung: Das „Herzstück im Stavenhagenhaus“ muss schließen. Sofort! Zwei Nachbarpaare hatten geklagt und im dritten Anlauf per Eilantrag das „Ruhen“ der Konzession von Pächterin Alexandra Lübeck erreicht. Ruhen, wie lange? Ungewiss. Ohne Konzession ist keinerlei Betrieb mehr möglich in der Bauerndiele und im Gartensaal.

Jahrzehntelang war für Veranstaltungen, Seminare, Trauungen, Eigentümerversammlungen, Firmentagungen, Jägergruppen, Singekreis, Familientage, Literaturkreis und Vorstandsessen – und seit 2023 dem wöchentlichen Donnerstagabend-Klöntreff – Wein, Sekt und Bier, Kaffee und köstliche Kuchen, Grünkohl, Rouladen, Suppen, Flammkuchen und andere leckeren Gerichte gekocht und gebacken worden. Ohne Konzession. Weil damit dem Zweck des Hauses entsprochen wurde. Nämlich ein „Kulturzentrum“ zu sein auf einem Grundstück, welches seit 1966 eine sogenannte Gemeinbedarfsfläche ist.

Okay. So weit, so gut. Der Kommunalverein hat sich neben anderen Initiativen fleißig bemüht, dort so viel wie möglich an Veranstaltungen und Angeboten unterzubringen, um so vielen Menschen, wie möglich, den Zugang zum Stavenhagenhaus zu ermöglichen. Zuletzt mit der Idee des Klöntreffs – der Kommunalverein hat Bauerndiele, Gartensaal und Terrasse (im Sommer) donnerstags gemietet und mit der „Veranstaltung“ Klöntreff die Gastronomie für jederfrau und jedermann geöffnet. Das alles wurde nie „beklagt“!

Als aber nach einem jahrelangen Rise-Beteiligungsverfahren aller Borsteler Bürger deren Wunsch nach Öffnung des Hauses durch ein Kulturcafé umgesetzt wurde, veranlasste das zwei Nachbarpaare zur Unterlassungsklage per Eilantrag, wobei ein Paar noch gar nicht in Groß Borstel wohnt. Das Kulturcafé braucht, wie jedes Café, in dem auch Alkohol ausgeschenkt wird, eine Konzession. Ob das jahrzehntelang praktizierte Modell, bei dem das jeweilige Hausmeisterpaar quasi eine Nebenerwerbs-Gastronomie betrieb, rechtskonform war – geschenkt! Aber nun, wo es „legal“ betrieben werden soll, wird es beklagt, um es zu verhindern. Weil nun, zumindest von Donnerstag bis Sonntag, das Café für alle geöffnet wäre. Für jeden Einzelnen, aber auch für Familienfeiern, Geburtstage, Konfirmationen…

1966 wurde die Bauerndiele in der Bauakte als Gastraum mit Ausschank eingetragen. Damals war vielleicht überwiegend an Vereine und Initiativen, Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Vorträge und Theaterstücke, sowie an Vereinsfeste gedacht worden. Weil es in Groß Borstel damals eine Vielzahl an Kneipen, Restaurants und Gasthäusern gab, die die sozialen Bedürfnisse der Bürger nach Treffpunkten, einem Glas Wein oder Bier am Abend, für Familienfeiern und Nachbarschaftsbegegnung abdeckte.

Das alles gibt es nicht mehr. Nur noch ein Bäckerei-Café bis 18.00 Uhr, am Wochenende bis 16.00 Uhr. Die Zeiten ändern sich, das Angebot an Einzelhandelsläden und der Gastronomie in Groß Borstel hat sich total reduziert. Jedoch das Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft, Nachbarschaft, Treffpunkten, Austausch, Zusammenhalt ist heute wie früher unverändert – wenn nicht gar größer!

Was würde dem Begriff der „Gemeinbedarfsfläche“ heute denn besser entsprechen als die Öffnung des Stavenhagenhauses mit einem Café? Seit 20 Jahren gefordert, das Schlüsselprojekt im Rise-Prozess? Wie kann Kommunikation, Diskurs, Zusammenhalt in einem Gemeinwesen, wie unserem „Dorf“ denn gepflegt werden, wenn dazu der Raum verweigert wird?

Wenn die Zeiten sich ändern, muss sich unter Umständen auch die Interpretation von Begriffen ändern, anpassen: Die „Gemeinbedarfsfläche“ von 1966 muss den „Gemeinschaftsbedürfnissen“ der heutigen Borstelerinnen und Borsteler dienen! Nicht umgekehrt!

Herzlich Ihre Ulrike Zeising