Die Groß Borsteler Rennbahn und der Rennstall Blumenfeld und Samson. HÄUSER, DIE GESCHICHTEN ERZÄHLEN

Die Verbindungsstraße von der Alsterkrugchaussee zum Weg beim Jäger trägt den Namen Sportallee, was auf den ersten Blick etwas merkwürdig scheint, denn im Umkreis der Straße ist nur wenig, eigentlich gar nichts von Sport zu sehen. Das war aber nicht immer so.

Wenn man heute ans Ende der Sportallee kommt und den Weg beim Jäger überquert, fährt man auf die Lufthansa-Werft zu, deren Eingangshäuschen eine große Tragfläche auf dem Dach ziert. Dahinter, dort, wo heute die Montagehallen zur Wartung von Flugzeugen stehen, befand sich einst die Groß Borsteler Pferderennbahn. Es war der Pferderennsport, der der Straße, damals noch ein von Bäumen gesäumter Weg, 1903 den Namen gab. Erst hieß sie noch Sportstraße. 1948 wurde sie in Sportallee umbenannt.

Eröffnet wurde die Rennbahn am 23. Juli 1891. Ursprünglich sollte die Eröffnung am 19. Juli stattfinden, fiel aber bei einem starken Unwetter buchstäblich in Wasser und wurde ein paar Tage später neu angesetzt. Betreiber der Rennbahn war der 1880 vom Bankier Gustav Beit (1854-1927) gegründete Hamburger Sport Club. Gustav Beit war Inhaber der Chemischen und Farbenfabriken Beit & Co und verdiente viel Geld mit dem Import von Salpeter.

Die Pferderennen des Hamburger Sport Clubs wurden zuvor auf der Rennbahn in Bahrenfeld ausgetragen, doch dann lief dort der Pachtvertrag mit dem Norddeutschen Renn- und Traberclub aus, und der Hamburger Sport Club kaufte das Gelände des ehemaligen Exerzierfeldes in Groß Borstel.

Der Bau der Pferderennbahn nahm zwei Jahre in Anspruch. In dieser Zeit entstand eine 1870 Meter lange und 20 Meter breite Flachbahn und eine „Steeplechase-Bahn“, eine Hindernisbahn nach englischem Vorbild mit zehn Hindernissen. Außerdem wurden eine große Zuschauertribüne, Ställe und einige weitere Betriebsbauten angelegt. Zu den Investoren der Rennbahn gehörten Vertreter des Hamburger Geldadels, wie Gustav Amsinck, S. del Banco, die Familien Brödermann, Eggers, Haniel oder Kämmerer, vor allem aber auch Gustav Beits Onkel Alfred Beit. Alfred Beit war ein guter Freund von Cecil Rhodes, hatte mit diesem die Britische Südafrika-Gesellschaft gegründet und war Anteilseigner einiger Diamanten- und Goldminen in Südafrika, was ihn zu einem der reichsten Männer der Welt machte. In Hamburg geboren, übersiedelte Alfred Beit später nach England und nahm 1888 die englische Staatsbürgerschaft an, pflegte aber stets seine Verbindungen nach Hamburg.

Die Rennbahn in Groß Borstel wurde bald zum Treffpunkt der Hamburger High Society. In der näheren Umgebung entstand eine Reihe von Ausflugslokalen. Die Rennen auf der Groß Borsteler Rennbahn gehörten zeitweise zu den am höchsten dotierten im deutschen Pferderennsport. Der große Preis von Hamburg und der Hammonia-Preis, beide in Groß Borstel gelaufen, waren mit über 100.000 Mark dotiert.

1911 kam Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich zu Besuch und verlieh der Groß Borsteler Rennbahn mit seiner Gegenwart die höchsten Weihen. Anlässlich dieses Besuchs wurde extra ein „Kaiser-Pavillon“ gebaut. Auch nach dem Ersten Weltkrieg hielt das Rennfieber in Hamburg weiter an, und 1927 beehrte mit Reichspräsident Hindenburg noch einmal ein Staatsgast die Groß Borsteler Rennbahn mit seiner Gegenwart.

Schon 1909 hatte es auf dem Feld hinter der Rennbahn die ersten Flugschauen gegeben. 1911 reiste Graf Zeppelin nach Hamburg und warb erfolgreich für seine Luftschiffe. An der heutigen Zeppelinstraße baute seine Luftschiffhallen-Gesellschaft einen Luftschiffhafen. Die Zeppeline gingen nun auf zweistündige Rundflüge über Hamburg in die Luft. Bis zu 700 Passagiere konnten mitfliegen.

Doch noch während des Ersten Weltkrieges sank die Bedeutung der Zeppeline, auch wegen einiger Unfälle, und 1916 wurden die Luftschiffhalle und der letzte Hamburger Marine-Zeppelin bei einem Brand zerstört. Ab Mitte der 1920 Jahre nahm stattdessen der zivile Flugverkehr mit den „Aeroplanen“ deutlich zu.

Flugfeld mit Zeppelinhalle

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden auch die Hamburger Rennbahnen „gleichgeschaltet“ und verstaatlicht. Der Sport Club Hamburg und der Hamburger Rennclub in Horn wurden zusammengelegt. Während in Horn der Pferdesport mit der Hamburger Volksfestwoche 1934 noch gepflegt wurde, vernachlässigten die Betreiber nun die Groß Borsteler Rennbahn. Zum einen plante die neue Reichsführung den Ausbau des Flugfeldes, zum anderen war ihnen die große Beteiligung vieler jüdischer Geldgeber an der Rennbahn und den Rennställen sicher ein Dorn im Auge.

Zu den Rennställen in Groß Borstel gehörte unter anderem der 1922 gegründete Rennstall O. Blumenfeld und R. Samson, betrieben von Otto Blumenfeld und Richard Samson.

Otto Blumenfelds Vater Bernhard (1846-1919) war mit dem Import von Brennstoffen und als Reeder reich geworden und hatte die Norddeutsche Kohlen und Cokes Werke AG gegründet, die ihren Sitz im Chilehaus hatte.

Zu den gern gesehenen Gästen seines Hauses an der Elbchaussee gehörten der Reeder Albert Ballin, der Schriftsteller Gerhart Hauptmann und die Maler Max Slevogt, Lovis Corinth und Max Liebermann. Otto Blumenfeld führte das Geschäft seines Vaters zusammen mit seinem Bruder weiter und übernahm auch das Interesse für die Kunst. Im Vorstand des Hamburger Kunstvereins arbeitete er mit dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt zusammen, der später zum Chefaufkäufer der Nationalsozialisten wurde. Sein Sohn Cornelius Gurlitt sorgte 2012 mit seinem Besitz von 1200 Kunstwerken aus dem Nachlass seines Vaters ungewollt für Schlagzeilen.

Mit dem Bankier Richard Samson teilte Otto Blumenfeld neben der Liebe zur Kunst auch die Leidenschaft für den Pferderennsport. Am Borsteler Jäger besaß der Rennstall ein prächtiges Gästehaus, in dem während der Pferderennwochen Gäste untergebracht wurden.

Hamburgs erstes Flughafengebäude

Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 flüchtete Otto Blumenfeld nach England. Seine Schwester Clara folgte 1939. Seine Schwester Martha, die sich wegen einer psychischen Erkrankung in klinischer Dauerbehandlung befand, wurde im September 1940 jedoch deportiert und dann ermordet.

Richard Samson gelang die Flucht nach England. Seine Kinder hatte er 1939 mit einem Kindertransport nach England schicken können. Er selbst folgte mit seiner Frau später über Dänemark und Schweden nach.

Das Gelände der Rennbahn wurde zunächst noch als Turnierplatz vom Hamburgischen Verein für Pferdesport und Pferdezucht e.V. genutzt. 1935 kaufte dann der Flughafen das Grundstück zur Erweiterung seines Geländes auf. Die Rennbahn wurde mit allen ihren Gebäuden abgebaut. Auch das Gästehaus von Blumenfeld und Samson ist verschwunden.

Einige der Villen, die heute noch den Weg beim Jäger säumen, entstanden aber in der Zeit, als die nahe gelegene Rennbahn eine der großen Hamburger Attraktionen war.
André Schulz