Jonahs Filmkritiken

Zwei Familienfilme – mal anders

In unserem schönen Stadtteil leben rund 1100 Haushalte mit Kindern. Denkt man an Filme für und über Familien, fallen mir in der Regel zuerst Filme aus meiner eigenen Kindheit ein. Typische „Familienfilme“ können ein großer Spaß für die Jüngsten in unseren Familien sein, Eltern und junge Erwachsene fallen in dieser Kategorie allerdings oft außen vor.

Für den Groß Borsteler Boten habe ich mich auf die Suche nach Filmen gemacht, die sich das Thema „Familie“ auf unterschiedliche Art und Weise zur Aufgabe machen. Bei ihnen geht es nicht zwangsläufig darum, den Spaß vor dem Bildschirm für alle Familienmitglieder zu maximieren (würde auch ein angenehmer Nebeneffekt sein), sondern zu zeigen, was Familie in Filmen sein kann und wie vielfältig dieses Genre „Familienfilm“ ist. Wir können alle davon profitieren, verschiedene Familien, verschiedene Perspektiven in Medien zu betrachten, um uns vielleicht selbst in diesen Geschichten wiederzuentdecken.

LADY BIRD (2017)
REGIE: GRETA GERWIG

Lady Bird (2017) Regie: Greta Gerwig

Dieser erste Film gewann 2018 den Oscar für „besten Film“, er ist gleichzeitig mein Lieblingsfilm. Regisseurin Greta Gerwig dürfte einigen Leserinnen und Lesern ein Begriff sein: Sie führte Regie bei „Barbie“, dem Hit-Film aus 2023, der international Massen an Menschen aus allen Generationen in die Kinos brachte. Ähnlich wie der Barbie-Film greift auch „Lady Bird“ Themen wie Selbstfindung und Weiblichkeit auf. Diese Motive werden in eine mitreißende Mutter-Tochter-Erzählung eingebettet, die zwei einzigartige Persönlichkeiten auf emotionalste Weise porträtiert.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Christine, die sich dafür entschieden hat, den Spitznamen „Lady Bird“ anzunehmen. Klingt merkwürdig, zeigt aber gut, mit welcher Einstellung die Teenagerin ihr Leben in Sacramento, Kalifornien bestreitet. Christine/Lady Bird besucht eine katholische High-School und fühlt sich eingeengt in ihrer kleinen Stadt an der Westküste Amerikas. Sie gerät in Konflikte mit ihren Eltern und besonders mit ihrer Mutter Marion, die in einem Krankenhaus als Pflegerin arbeitet und mit der finanziellen Situation der Familie kämpft. Christine möchte ausbrechen, sie will dahin „wo Kultur ist“.  Zuschauerinnen und Zuschauer sehen den beiden Frauen bei ausartendem Streit zu und können gleichzeitig beobachten, wie tiefgreifend ihre Liebe zueinander ist. Dabei beobachten wir Christine beim Erwachsenwerden, beim sich Verlieben und beim Träumen nach mehr.

Lady Bird ist ein trauriger, melancholischer Film und strotzt trotzdem nur so vor Humor. Momente, in denen ich mich oft selbst wiedererkannt habe, die dazu einladen, die eigene Beziehung zu betrachten und zu hinterfragen, werden mit so einer Feinfühligkeit dargestellt, die den Film für mich zu einem Highlight meiner Jugend gemacht haben. Die irische Hauptdarstellerin Saoirse Ronan spielt die Rolle der rebellischen Tochter überzeugend, und Laurie Metcalf glänzt als strenge, aber doch so vielschichtige Mutter. Emotionale Monologe werden untermalt von nostalgischen Aufnahmen Sacramentos, Autofahrten werden zu Reisen in die eigene Gefühlswelt.

BIST DU DA, GOTT?
ICH BIN’S, MARGARET. (2023)
REGIE: KELLY FREMON CRAIG

Eine große Empfehlung für alle Mütter und Töchter, für Jugendliche, die sich an ihren Träumen festklammern, und jeden, der sich auf eine Erforschung der eigenen Jugend begeben will.

Lady Bird ist verfügbar auf Apple TV und Amazon Prime Video.

Bist du da, Gott? Ich bin’s, Margaret. (2023) Regie: Kelly Fremon Craig

Craig schafft es, eine realistische Darstellung davon zu liefern, wie unangenehm und aufregend das Aufwachsen sein kann.

Margaret Simon lebt als Elfjährige im New York City der Siebzigerjahre den jugendlichen Großstadttraum. Den Sommer verbringt sie im Ferienlager. Als sie voller Erwartungen an die große Welt da draußen zurückkehrt, müssen die Eltern ihr überraschend verkünden, dass ihr Traum von vielen Freundinnen, eines aufregenden Alltags und dem täglichen Besuchen von Großmutter Sylvia vorerst sein Ende gefunden hat. Die junge christlich-jüdische Familie muss in einen kleinen Vorort von New Jersey umziehen, fern von Großstadttrubel und allem, was Margarete bisher kennt. Margaret beginnt, ihre Zweifel und Ängste in Gesprächen mit Gott zu teilen, bei dem sie sich eigentlich gar nicht sicher ist, ob und wie er existiert. „Bist du da, Gott? Ich bin’s, Margaret.“  – So beginnt die Elfjährige notgedrungen ihre Gespräche zu dieser helfenden Instanz im Himmel, sei es wegen Problemen mit ihrem jungen Körper oder ihrer neuen Freundin Nancy Wheeler.

Der Film zeugt von Humor, der alle Generationen zum Lachen bringen kann. So realitätsgetreu bildet die Regisseurin ab, wie ein Neustart im Leben, ein Ausbrechen aus dem Altbekannten uns herausfordert, wie unschön das besonders als Kind sein kann, das gerade in die allbekannte Ära der Pubertät einsteigt. Gleichzeitig ist die Handlung geprägt von Margarets rührender Beziehung zu ihrer jungen, künstlerischen Mutter Barbara, begeisternd gespielt von Rachel McAdams. Der Film zieht damit die Zuschauer völlig in ihren Bann. Auch die junge Hauptdarstellerin Abby Ryder Fortson überzeugt in ihrer Rolle als die sich immer weiterentwickelnde Margaret klar und deutlich. „Bist du da, Gott? Ich bin’s Margaret.“ porträtiert feinfühlig, lustig und äußerst spannend den Prozess des Älter- und Mutigwerdens, der Pubertät und der bedingungslosen Liebe einer Familie und schafft es gleichzeitig, Religion auf eine kindlich kluge Art in die Handlung einzubetten. Eine klare Empfehlung für Groß und Klein (Borstel)!

Bist du da, Gott? Ich bin’s Margaret. Ist verfügbar auf Amazon Prime Video und Apple TV.

Text: Jonah Houcken, Fotos: Filmverleih

Jonah Houcken (17) engagiert sich im Kommunalverein. Wir trafen ihn bei einem Rise-Treffen, als es um die Zukunft des Stavenhagenhauses ging. Und beim Stadtteilfest fragte er, wie er sich für die Öffnung des Stavenhagenhauses engagieren kann. Seit dem ist er „Teil des Teams“, hilft bei des Veranstaltungen des Kommunalvereins. Und neuerdings schreibt er für den Boten. Herzlich willkommen Jonah!