Vögel in Groß Borstel
Die Reiherente

Sie gehört zur Familie der Entenvögel (Anatidae) und zählt dabei zu den Tauchenten (Aythyini): die Reiherente (Aythya fuligula).
Die Vogelart wanderte – von Norden und Osten kommend – erst im 18. Jahrhundert nach Mitteleuropa ein und hat sich inzwischen mit 55.000 bis 85.000 Brutpaaren in ganz Europa verbreitet. Mit 21.000 bis 31.000 Brutpaaren gilt sie heute in Deutschland, nach der Stockente, als die zweithäufigste Entenart. In logischer Konsequenz werden Reiherenten in Deutschland nicht als gefährdet angesehen, zumal ihr Bestand sogar zunimmt.
Für die Arealausweitung gibt es mehrere Gründe. Unter anderem spielten die westliche Ausbreitung der Dreikantmuscheln als Nahrungsquelle sowie die Trockenlegung von Steppenseen in Osteuropa und Westasien entscheidende Rollen. Die Tiere bevorzugen vor allem Binnengewässer als Lebensraum, Flüsse allerdings seltener. An der Nordseeküste sind sie insbesondere im Winter in großen Trupps anzutreffen, da dann aus den nordöstlichen Brutrevieren viele Reiherenten zum Überwintern hier landen. Es handelt sich bei der Art also um Zug-, in Mitteleuropa jedoch um Standvögel.
In Hamburg brütet die Reiherente erst seit etwa 80 Jahren. Dennoch bringt sie es inzwischen auf rund 500 Brutpaare und ist damit auch hier nach der Stockente die zweithäufigste Entenart.
Die Vögel besiedeln stille oder nur langsam fließende Gewässer vom Umland, Stadtrand bis in die Hamburger City hinein. So lassen sie sich zahlreich zum Beispiel auf dem Ohlsdorfer Friedhof, im Stadtpark, in Planten un Blomen und auf dem Uni-Campus beobachten. In Groß Borstel gibt es regelmäßige Bruterfolge im Eppendorfer Moor.
Reiherenten gelten als gesellige Art, die dementsprechend oft in größeren Trupps auftritt. Sie werden etwa 47 cm lang und sind somit deutlich kleiner als Stockenten. Männchen tragen von September bis Mai ihr Prachtkleid, das aus dem schwarz gefärbten Körper mit weißen Flanken besteht. Die Augen sind gelb, der Schnabel ist grau und weist eine schwarze Spitze auf. Ab Mai bis September sieht das Männchen in seinem Schlichtkleid dem Weibchen ähnlicher, denn beide weisen jetzt ein bräunliches Federkleid auf. Allerdings fällt es beim Männchen dunkler aus und zeigt hellere Flanken.
Ein weißer Federring an der Schnabelbasis – eigentlich charakteristisch für weibliche Bergenten – kann auch bei Reiherenten-Weibchen vorkommen. Er ist bei diesen jedoch wesentlich geringer ausgeprägt.
Ihren Namen verdanken Reiherenten dem charakteristischen langen Schopf am Hinterkopf, wie ihn ähnlich Reiher aufweisen. Dieser zeigt sich beim Weibchen deutlich kürzer als beim Männchen. Obendrein ist er ein gutes Unterscheidungsmerkmal zur Bergente, der dieser Schopf gänzlich fehlt.
Reiherenten sind tag- und nachtaktiv. Sie ernähren sich überwiegend von Muscheln, Schnecken und Krebstieren, daneben auch von Insekten und in nur geringem Maße von Pflanzen. Sie finden ihre Nahrung sowohl gründelnd als auch vorzugsweise tauchend bis zu einer Tiefe von zehn Metern.
Das Balzritual der Reiherenten beginnt bereits Anfang November und besteht vor allem aus Kopfschütteln sowie Kopfnicken, wobei der Erpel in steifer Haltung um das Weibchen herum schwimmt. Dieses lässt dann kurze Laute hören, die wie „Karr karr karr“ klingen. Die Erpel geben eher in schneller Folge „Wip Wi-Wiwüwüp“ von sich. Außerhalb der Balzzeit rufen Reiherenten kaum.
Das Nest wird allein vom Weibchen auf Schilf oder Moorgras errichtet, wobei es bei der Wahl des Brutgewässers wenig anspruchsvoll ist.

Das Gelege besteht aus fünf bis zwölf graugrünen Eiern. Sobald das letzte Ei gelegt wurde, beginnt das Weibchen allein mit der Brut, die 23 bis 28 Tage dauert. Als Nestflüchter werden die Küken vom weiblichen Elternvogel sehr schnell an das nächstgelegene Gewässer geführt, können sofort schwimmen und nach nur wenigen Stunden sogar schon tauchen. Nach 45 bis 50 Tagen sind die Jungvögel flügge. Das nachgewiesene Höchstalter dieser Vögel beträgt 20 Jahre und vier Monate.
Fressfeinde der Reiherenten und ihrer Küken sind vor allem Möwen, Rohrweihen, Rotmilan, Bussarde und nicht zuletzt Hechte.
Wegen ihres attraktiven Aussehens, ihrer Lebendigkeit und einfachen Haltung sind Reiherenten schon seit langer Zeit als Ziergeflügel beliebt. So hielt man sie bereits im 17. Jahrhundert auf den Teichen der Parkanlagen rund um Versailles sowie in London. Einen schriftlichen Beleg für die Zucht in menschlicher Obhut gibt es aber erst für das Jahr 1848, als im Londoner Zoo ein Entenpaar erfolgreich Küken großzog. Womit sich sagen lässt, dass dieser Bericht ganz sicher keine „Ente“ war.

Text und Fotos:
Michael Rudolph

