Vögel in Groß Borstel

Die Waldohreule

Erst in der Nacht wird sie richtig aktiv: Die Waldohreule (Asio otus). Der Vogel gehört zur Gattung der Ohreulen (Asio) und der Familie der Eigentlichen Eulen (Strigidae). Er zählt neben dem Waldkauz zu den häufigsten Eulenarten in Hamburg.

Waldeule

Das auffälligste und namensgebende Merkmal der Waldohreule sind ihre anlegbaren „Federohren“

– wie sie auch Uhus aufweisen. Allerdings ist sie mit einer Größe von 31 bis 37 cm erheblich kleiner als der Uhu und auch etwas kleiner, schlanker und leichter als der Waldkauz. Die markanten Federohren haben keinen Einfluss auf das Hörvermögen des Vogels – eher der runde Gesichtsschleier, der wie ein Schalltrichter wirkt.

Die Grundfarbe des Gefieders an der Körperoberseite und den Flügeln zeigt sich beige mit braun-grauer Marmorierung. Die Hand- und Armschwingen sind dunkel quergebändert. Die Körperunterseite ist etwas heller und weist dunkle Längsstriche auf. Bei den Weibchen überwiegen dunkle, rostbraune Farbtöne, Männchen sind etwas heller.

Die Muster und Farben des Gefieders dienen der Tarnung, weshalb sich im Geäst sitzende Vögel kaum entdecken lassen. Die Augen der Vögel sind intensiv orange gefärbt und weisen schwarze Pupillen und schwarze Ränder auf.

Waldohreulen sind in fast ganz Europa heimisch. Ihr Bestand schwankt abhängig vom Nahrungsangebot, das heißt von der Menge vor allem an Kleinsäugern. Er wird in Deutschland auf 30.000 bis 40.000 Brutpaare, in Hamburg auf 80 Brutpaare geschätzt. Ihr Bestand gilt in Deutschland als nicht gefährdet. Mitteleuropäische Waldohreulen zählen zu den Standvögeln und Nordeuropäer zu den Teilziehern, da sie im Winter in südliche Richtung ausweichen.

Die Vögel besiedeln vor allem Waldränder mit nahegelegenen offenen Flächen, die sie für die Jagd bevorzugen. Sie meiden die inneren Bereiche dichter Wälder, da sie dort mit dem Waldkauz konkurrieren würden. Darüber hinaus besiedeln Waldohreulen die Randbereiche von Städten und sind hier zum Beispiel in Stadtparks, auf Friedhöfen, in Parkanlagen und großen Gärten anzutreffen.

Im Winter finden sich – auch in Hamburg – Waldohreulen zu Schlafgemeinschaften zusammen, die bis zu einhundert Individuen betragen können. Diese Schlafplätze werden oft viele Winter nacheinander genutzt und mitunter gesellen sich Sumpfohreulen dazu. Die Waldohreulen zeigen dabei keinerlei Aggressionen gegenüber anderen Arten.

Waldohreulen jagen in der Dämmerung und in der Nacht. Meist fliegen sie geräuschlos optisch und akustisch nach Beutetieren suchend relativ dicht über den Boden. Mitunter jagen sie auch von Sitzwarten aus. Die Hauptbeute der Waldohreulen sind Mäuse – aber auch kleine Singvogelarten wie Sperling und Grünfink zählen zu ihrem Beutespektrum.

Waldohreulen werden gegen Ende ihres ersten Lebensjahres geschlechtsreif. Paare finden sich mitunter schon in den winterlichen Schlafgemeinschaften. Häufiger aber versucht das Männchen im zeitigen Frühjahr mit Paarungsrufen und Imponierflügen ein Weibchen in sein Revier zu locken. Dabei ruft es in Abständen von einigen Sekunden ein dumpfes, monotones „huh“, auf das in einem Wechselgesang das Weibchen in ebenfalls monotoner Weise mit „üüiü“ oder „üijo“ antwortet. Andere Lautäußerungen wie Fauchen oder Schnabelklappern dienen vor allem der Abwehr von Feinden.

Ist es dem Männchen gelungen, ein Weibchen in sein Revier zu locken, beginnt es mit der Balz. Dabei kommen die Imponierflüge zum Zuge, bei denen die weißen Flügelunterseiten präsentiert sowie die Flügel ab und zu unter dem Körper zusammenklatscht werden. Dieses Flügelklatschen zeigt während der Balz auch das Weibchen in der Nähe des möglichen Brutplatzes.

Ihre Nester bauen Waldohreulen nicht selbst, sondern besetzen von Rabenkrähen, Elstern oder Greifvögeln verlassene Nester. Favoriten bei der Brutplatzwahl sind ehemalige „Behausungen“ von Rabenkrähen in Fichten.

Legebeginn ist in Mitteleuropa die Zeit zwischen Ende Februar und Mitte April. Das Weibchen brütet bereits ab dem ersten Ei und legt in einem Abstand von jeweils etwa zwei Tagen insgesamt vier bis sechs Eier, in Ausnahmefällen sogar acht Eier. Das Weibchen übernimmt die Aufgabe des Brütens allein und verlässt während der Brut sowie der ersten Lebenstage der geschlüpften Jungeulen nur kurzzeitig die Nestmulde. Das Männchen ist für die Nahrungsbeschaffung und Revierverteidigung zuständig. Bei der Revierverteidigung wird es jedoch von dem größeren und stärkeren Weibchen unterstützt.

Die Küken schlüpfen nach einer Brutdauer von 27 bis 28 Tagen und werden anschließend vom Weibchen einige Tage lang fürsorglich gehudert. Aus der vom Männchen herbeigeschafften Beute schneidet sie kleine Stücke, die sie an die Nestlinge verfüttert.

Nach etwa 14 Tagen hält sich das Weibchen am Nestrand oder in der Umgebung auf. Sowohl Männchen als auch Weibchen verteidigen jetzt den Nistplatz mit den Jungen gegen Eindringlinge besonders energisch. Sobald die jungen Eulen das Nest verlassen, klettern sie geschickt unter Einsatz der Krallen, des Schnabels und der Flügel bis hoch in die Baumkronen, wo sie sich als Ästlinge gut verstecken. Nun beteiligt sich auch das Weibchen an der Versorgung des Nachwuchses mit Beutetieren. Obwohl die Jungeulen ab der zehnten Lebenswoche in der Lage sind, selbstständig Mäuse zu erbeuten, werden sie von den Elterntieren noch bis mindestens zur 11. Lebenswoche gefüttert. Deshalb sind in dieser Zeit nachts ihre Bettelrufe – ein lautes Fiepen – zu hören. Die schließlich selbstständigen Jungvögel verlassen das Nestumfeld und suchen sich typischerweise in einem Radius von 50 bis 100 Kilometern ein eigenes Revier.

Da sie zu den Beutetieren von Uhus, Mäusebussarden und Mardern zählen, sind Waldohreulen ständigen Gefahren ausgesetzt, denen sie durch die Tarnung, die ihre Gefiederfarben bieten, zu entgehen versuchen. So ducken sich die besonders gefährdeten brütenden Weibchen tief in die Nistmulde. Außerdem setzen sie Drohgebärden ein, indem sie ihre Flügel zu einem Flügelrad auffächern, um dadurch optisch größer zu wirken. Gleichzeitig fauchen sie laut und klappern mit dem Schnabel. Dieses Abwehrverhalten beherrschen auch schon die jungen Ästlinge. Trotz dieser Fähigkeiten überlebt nur jede zweite Jungeule ihr erstes Lebensjahr. Beringungsfunde belegen ein Höchstalter von 28 Jahren in freier Natur.

Waldohreule juvenil

Die intensive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, insbesondere die Umwandlung von Grünland und die Beseitigung von großen Hecken und Feldrainen stellen eine Bedrohung für den Bestand an Waldohreulen dar. Deshalb ist der Erhalt von strukturreichen, naturnahen Landschaften die wichtigste Schutzmaßnahme für den Vogel und andere Arten. 

Waldohreulen sind bei uns zwar das ganze Jahr zu beobachten aber wegen ihrer guten Tarnung und der tagsüber versteckten Lebensweise nur schwer zu entdecken. Die besten Chancen bietet die Zeit der Balz und die Tatsache, dass Waldohreulen im Winter gerne die Nähe von Ortschaften aufsuchen. Die Vögel würgen die unverdaulichen Bestandteile der Beutetiere – Fell und Knochen – als Gewölle wieder aus. Infolgedessen sind Schlafbäume gut zu erkennen an einer Ansammlung von Gewölle und Kot am Boden rund um den Stamm. Also Augen und Ohren aufgesperrt an Gehölz- und Flughafenrändern!

Text und Fotos:

Michael Rudolph