Vertrieben und Wiedergefunden – Internationale Künstler Gert und Ingolf Marcus mit Wurzeln in Groß Borstel wiederentdeckt

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Gert Marcus

Gert Marcus lebte in Schweden und hat sich dort zu einem international renommierten Maler und Bildhauer entwickelt. Seine beeindruckenden Skulpturen sind unter anderem im öffentlichen Raum in Stockholm (Schweden), Eilat (Israel) und Turano Lodigiano (Italien) zu bewundern und haben ihm auch den Beinamen „Meister des Marmors“ eingebracht.

 

 

 

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Ingolf Dahl

Sein Bruder Ingolf Marcus lebte in den USA unter dem Namen Ingolf Dahl und hat dort ebenfalls internationales Ansehen als US-amerikanischer Komponist, Dirigent und Pianist erworben. Einer seiner Schüler war der bei uns wesentlich besser bekannte „King of Swing“ Benny Goodman.

Bis vor wenigen Wochen wusste niemand hier in Groß Borstel, dass beide Künstler in der Violastr. 10 (seit 1934 Köppenstr. 10) geboren und aufgewachsen sind: Ingolf Marcus geboren am 6.9.1912 und Gert Marcus vor fast genau 101 Jahren am 10.11.1914.

 

Mit den Eltern, dem jüdischen Vater Dr. Paul Marcus – angesehener Jurist und Patentanwalt – und der schwedischen Mutter – Hilde Maria Dahl – siedelte die Familie 1929 um in den Holunderweg 7.  Doch nach der Machtergreifung von Adolf Hitler wurde die Familie zunehmend ausgegrenzt und verfolgt, so dass beide Söhne auswanderten, Ingolf 1932 zunächst in die Schweiz und 1939 in die USA sowie Gert 1933 nach Schweden, in die Heimat seiner Mutter. Der Vater wurde 1938 ausgebürgert und konnte 1939 noch nach Stockholm emigrieren.

Eine simple E-Mail der schwedischen Kunstgalerie Amells vom 27.8.2015 hat den Stein ins Rollen gebracht. Wir erhalten die Information, dass ab 5. September 2015 eine Sonderausstellung mit den Werken des 1914 in Groß Borstel geborenen Gert Marcus stattfindet: „…Aus diesem Anlass wäre es fantastisch wenn auch Kunstfreunde, Sammler, Kunstexperten im Land Hamburg  oder gar die Gemeinde Gross Borstel selbst auf die Werke von Gert Marcus aufmerksam würden.  Für Gert Marcus der 2008 verstarb wäre es mit Sicherheit eine große Freude wenn er durch eines seiner Werke wieder symbolisch in seine alte Heimat zurückkehren könnte.“

Niemand im Umfeld des Kommunal-Vereins, der Freunde des Stavenhagenhauses, der Kirchengemeinde St. Peter oder der aktuellen Hauseigentümer hatte Kenntnis oder Informationen von der Familie Marcus und den Künstlern. Auch die Tatsache, dass das Hamburg Museum 2007 im Rahmen einer Sonderausstellung „Geflohen aus Deutschland – Hamburger Künstler im Exil 1933-1945“ einige seiner Werke erstmals in seiner alten Heimatstadt präsentierte und Gert Marcus mit seiner Ehefrau Francoise Ribeyrolles-Marcus persönlich teilgenommen haben, ist in Groß-Borstel offensichtlich nicht angekommen.

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Angeregte Diskussion im Stavenhagenhaus v.l.n.r.: V. Ahmels, F. Haufe, V. Le Vot, F. Ribeyrolles-Marcus, R. Herchenhein Foto:W. Lüders

Nun ergab sich am 19.10.2015 die glückliche Gelegenheit, sich mit der in Stockholm lebenden Frau Ribeyrolles-Marcus, die gerade mit ihrer Tochter zu Besuch bei alten Freunden in Hamburg weilte, im Stavenhagenhaus zu treffen und gemeinsam mit Vertretern von der Kirchengemeinde St. Peter, den Freunden des Stavenhagenhauses, dem Kommunalverein, Politikern und Experten für NS-vertriebene Rechtsanwälte und Künstler die Vergangenheit in Erinnerung zu rufen.  Wir konnten aus berufenem Munde persönliche Informationen zur gesamten Familie Marcus sowie zum künstlerischen Wirken von Gert Marcus und Ingolf Dahl erfahren und gemeinsam darüber nachdenken, wie man beiden am Ort ihrer Geburt ein angemessenes Gedenken zukommen lassen könnte. Ich habe eine erfreulich offene, vorbehaltlose und engagierte Diskussion erlebt, die mich hoffen lässt, dieser Zielsetzung ein gutes Stück näher gekommen zu sein.

Hans-H. Nölke