Flüchtlingsunterkunft im Pehmöllers Garten


„Hamburg wird“, laut Michael Werner-Boelz (Grüne), „dieses Jahr 30.000 Flüchtlinge aufnehmen müssen, im nächsten Jahr 60.000.“ Der Kauf von “Pehmöllers Garten” für 7 bis 8 Mio. Euro ist seiner Ansicht nach nur eine von vielen verzweifelten Maßnahmen, dem Ansturm der Flüchtlinge Herr zu werden. „Es ist illusorisch anzunehmen, dass der Senat seine Pläne nicht umsetzen wird.“

Auf einem Treffen mit Stadtteilakteuren (Kommunal-Verein, Kirche, Borsteler Tafel) und Bezirkspolitikern (Barbara Nitruch, Jörg Lewin, Michael Werner-Boelz) im November wurde versucht deutlich zu machen, dass eine Konfrontation für den Stadtteil – etwa durch Klage oder Widerstand gegen die Flüchtlingsunterkunft kaum förderlich sein würde. Auch eine Diskussion, ob nun Groß Borstel prozentual mehr oder weniger Flüchtlinge als andere Stadtteile hätte, sei wenig förderlich. „Wenig förderlich“, das klang ein wenig bedrohlich. Die Bezirkspolitiker hielten es für richtig, sich besser darauf zu konzentrieren, den schützenswerten Baumbestand und den Teich des Parks zu erhalten. Bezirksamtsleiter Harald Rösler hätte, so berichteten sie, sein Bauamt angewiesen, zu prüfen, wie groß eine Flüchtlingsunterkunft unter Berücksichtigung des Naturschutzes an dieser Stelle maximal gebaut werden könnte.

Jörg Wolfgang Lewin, seines Zeichens Bezirksabgeordneter in Hamburg-Nord und im Hauptberuf Inhaber von Stadtplanungsbüros in Hamburg und Neuruppin, ergänzte, dass, wenn man schnell bauen will, man auf Holzmodulbauweise oder Container zurückgreifen müsse. Da der Senat Holzhäuser bauen will, ist die maximale Geschosszahl wegen des Feuerschutzes auf drei Vollgeschosse beschränkt. Betrachtet man die Fläche des Grundstückes (19.000 m²) und den schützenswerten Baumbestand, dann könne sich seiner Schätzung nach eine Maximalzahl von 500 bis 750 Bewohner ergeben.

Skizze Pehmoellers GartenAlternativstandorte gäbe es – so die Politiker – angeblich nicht genügend. Eine Klage gegen die Unterkunft hätte nur aufschiebende Wirkung, könne nach Einschätzung von Boelz, Nitruch, Lewin den Bau kaum verhindern, aber die Unterstützung des Stadtteils durch die Verwaltung behindern. Ohne Klage könnte die Flüchtlingsunterkunft innerhalb eines halben Jahres fertig gestellt werden. Mit Klage dauert es etwa ein halbes Jahr länger. So die einhellige Einschätzung.

Unter der Voraussetzung, dass es nach dem Senatswillen auf jeden Fall zu einer Flüchtlingsunterkunft kommen soll, ist die soziale Integration der etwa 2.000 Flüchtlinge im Umkreis von Groß Borstel vorrangigste Aufgabe. Sonst entsteht eine Situation, die viele Bewohner befürchten: Der Stadtteil gleitet ab durch soziale Probleme unterschiedlichster Art. Ähnliches gab es in der Nachkriegszeit am Weg beim Jäger, als etwa 18.000 Kriegsvertriebene in sog. Nissenhütten hausen mussten.

Soziale Integration ist ohne Ehrenamtliche kaum denkbar. Sie schaffen die Kontakte zwischen Flüchtlingen und Borstelern. Das baut Ängste ab, ist im besten Fall eine Bereicherung für den Stadtteil, zum Beispiel bei gemeinsamen kulturellen Veranstaltungen. Kirche und Kommunal-Verein wollen auf ihren Kommunikationswegen versuchen, mehr Ehrenamtliche für Freizeitangebote und Deutschunterricht sowie sonstige Versorgung anzuwerben. Wir brauchen auch mehr Räume für die Flüchtlinge, das Stavenhagenhaus sollte natürlich auch für Angebote an Flüchtlinge genutzt werden. Die Kirche will ebenfalls prüfen, an welchen Tagen Räume für Aktivitäten genutzt werden können.

Beim Treffen der Stadtteilkonferenz am 26.11. zeigte Caroline Smolny, die seit 17 Jahren hauptamtlich in der Flüchtlingshilfe aktiv ist und zurzeit die Erstaufnahme Sportallee / Heselstücken leitet, dass Probleme mit Flüchtlingen tatsächlich sehr selten vorkommen. Die Flüchtlinge wollen sich, so Frau Smolny, nach langer Flucht erst einmal verständlicherweise ausruhen. Sie seien zum großen Teil traumatisiert und hätten mit den Anforderungen des Alltags (Asylantrag, fremde Sprache, Übersetzung und Anerkennung von Unterlagen und dergleichen) so viel zu tun, so dass sie im Stadtteil so gut wie gar nicht erscheinen. Nachbarn vieler Unterkünfte, in denen Frau Smolny gearbeitet hatte, wunderten sich häufig darüber, dass sie vom Flüchtlingsheim sehr wenig mitbekommen haben.

Nico Schröder, Leiter des Fachamtes für Sozialraummanagements des Bezirksamts Hamburg-Nord, kündigte gegenüber der Stadtteilkonferenz eine zeitnahe Bürgerinformation über die geplante Unterkunft an, sobald die näheren Pläne des Senats bekannt sind. Noch weiß das Bezirksamt lediglich, dass das Grundstück für eine Erstaufnahme von der Finanzbehörde gekauft worden ist. Was, wo und wann gebaut werden soll, ist noch vollkommen unklar. Deswegen mache eine Versammlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keinen Sinn.

Standard im Vorgehen bei der Errichtung von Unterkünften sei jedoch eine frühzeitige Bürgerversammlung, damit alle Bürger auf den gleichen Informationsstand gebracht und Anregungen aufgenommen werden können. Die Gründung eines runden Tisches mit den örtlichen Akteuren zur Koordinierung sämtlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit der Errichtung des Flüchtlingsheims und der Integration seiner Einwohner sei obligatorisch. Nico Schröder berichtete, der Bezirk hätte Mittel zur Unterstützung der Flüchtlingsarbeit bereitgestellt, die beim Fachamt für Sozialraummanagement beantragt werden können.

Allen Anwesenden der Stadtteilkonferenz war klar: Mit welcher Qualität die Integration im Stadtteil gelingt, hängt entscheidend von den Ehrenamtlichen ab. Sie organisieren die menschlichen Kontakte untereinander, und bauen so die teils diffusen Ängste vor dem Unbekannten ab. Genauso wichtig wie die Bereitschaft zur Mitarbeit sind die Koordination und die Verteilung der Arbeiten. Doppelangebote und zum Teil auch Konkurrenz der einzelnen Hilfsorganisationen müssen verhindert werden, eine Aufgabe für den noch zu gründenden Runden Tisch. Zeitweise fällt es den nicht gerade unterforderten hauptamtlichen Mitarbeitern von Flüchtlingsunterkünften schwer, neben ihrer Arbeit auch noch Ehrenamtliche anzuleiten.

Es wurde in dem Gesprächen mit Politikern und beim Treffen der Stadtteilkonferenz auf jeden Fall deutlich, dass Groß Borstel in den nächsten Jahren ein neues Thema haben wird: Die Integration von Flüchtlingen. Sprechen Sie uns im Kommunal-Verein gerne an, wenn Sie mithelfen wollen.

Uwe Schröder